Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
bezeichnete es natürlich als völligen Unsinn, dass die Leute an diesem Tag durch die Gegend rannten und sich als genau die Wesen verkleideten, vor denen wir sie zu schützen versuchten. Außerdem war sie immer besorgt gewesen, dass unsere »Kollegen« beleidigt sein könnten, weil wir ihre Existenz als Anlass für solche Späße nahmen. Ariannas grottiger Laune nach zu schließen, hatte sie damit anscheinend gar nicht so unrecht gehabt.
Ich wandte mich Lend zu. »So, und was steht für heute Abend auf dem Plan?«
»Als Erstes Kürbisse schnitzen. Ich hab ein paar Vorlagen gezeichnet. Wir werden meinen Dad so was von fertigmachen.«
Ich lächelte, neugierig auf seine Entwürfe. In letzter Zeit zeichnete er fast nur noch für seine Anatomievorlesungen. Mir gefiel es viel besser, wenn er das nur zum Vergnügen machte. »Super. Und dann?«
»Dann machen wir Karamelläpfel und warten darauf, dass es klingelt. Die Einzigen, die bis zu unserem Haus rausmarschieren, sind die Werwölfe aus der Stadt mit ihren Kindern, das ist immer ziemlich witzig.«
»Oh. Klasse!« Ich legte so viel Begeisterung hinein, wie ich konnte, aber ein bisschen enttäuscht war ich schon. Das hier war mein erstes normales Teenagerhalloween. Da hatte ich mir eigentlich was Aufregenderes vorgestellt, als Bonbons an Werwolfwelpen zu verteilen. Carlee schmiss heute Abend ihre alljährliche Halloweenparty und obwohl ich mit niemandem befreundet war, der dort sein würde, war ich furchtbar neugierig. Die einzigen Partys, die ich je erlebt hatte, hatten im Fernsehen stattgefunden. Oder in der Zentrale, aber die waren immer stinklangweilig. Außerdem war es mir immer ziemlich unangenehm gewesen, mich unter die Paranormalen zu mischen, die ich persönlich eingesackt hatte. Und nicht ein Mal war jemand auf die Idee gekommen, heimlich was Hochprozentiges in den Punsch zu kippen.
Na ja, mit Lend zusammen zu sein, schlug das alles sowieso um Längen und er hasste nun mal Partys. Er war schon eher ein Stubenhocker – verständlicherweise, nachdem er als kleiner Junge, bevor er seine Gestaltwandlerei unter Kontrolle hatte, von allem abgeschirmt worden war. Und obwohl er jetzt, da er älter wurde, echtes Beliebtheitspotenzial hatte (mit anderen Worten: Hallo, Schnuckel!), war er immer der Meinung gewesen, dass niemand sein wahres Ich kennenlernen durfte.
Bis ich kam, heißt das. Was mich natürlich überglücklich machte
Lend musterte mich und lächelte. »Du bist so eine schlechte Schauspielerin. Zum Glück hab ich ganz was anderes mit dir vor.«
Sofort wurde ich wieder munter. »Ach ja?«
»Tja, wo du doch schon mal passend gekleidet bist, würde ich sagen, wir gehen zum … Disco-Bowling.«
»Disco-Bowling? Im Ernst? So was gibt’s?«
Er lachte. »Ich hab das auch noch nie gemacht, aber du hast ja vor ein paar Wochen gesagt, dass du gerne mal bowlen gehen würdest, und da dachte ich mir, heute wäre doch die Nacht der Nächte, in der ich dich mit meinem unglaublich geringen Bowlingtalent beeindrucken kann. Außerdem siehst du viel zu toll aus, um das alles an ein paar Zwerge im Zuckerrausch zu verschwenden. Die veranstalten da auch einen Kostümwettbewerb – den Sieg hast du so gut wie in der Tasche.«
Ich lachte verzückt und nahm seine Hand, um ihm einen Kuss auf die Fingerknöchel zu drücken. Ich wusste, dass er viel lieber zu Hause geblieben wäre und diesen Abend einzig und allein darauf ausgerichtet hatte, mich glücklich zu machen. Und dann wollte er auch noch mit mir angeben, was meiner Eitelkeit mehr schmeichelte, als ich zugeben wollte. Er war der allerallerallerbeste Freund der Welt!
»Na, dann lass mal sehen! Und wenn wir zum Disco-Bowling gehen, musst du dich aber auch verkleiden.«
Er seufzte gespielt genervt, verpasste seinem Cover jedoch einen Riesenafro und ich quietschte vor Begeisterung. Dann verwandelte sich seine Haarpracht in eine kürzere, gelblich blonde Frisur mit Seitenscheitel. »Schätze mal, mit einem roten Halstuch und blauer Hose kann ich als passender Fred zu deiner Daphne durchgehen, oder?«
Dieser Abend war einfach perfekt.
»Sind die nicht für, na ja, ich weiß auch nicht, Kindergartenkinder?« Ich konnte gar nicht aufhören zu lachen, als Lend die Seitenbanden links und rechts unserer Bahn hochzog, damit die Kugel nicht in die Rinnen rollen konnte. Der ganze Bowlingladen war mit Neonscheinwerfern erleuchtet und eine riesige Discokugel warf glitzernde Reflexionen in alle Richtungen. Die Musik dröhnte
Weitere Kostenlose Bücher