Lebe lieber übersinnlich - 02 - Dreams 'n' Whispers
das Herz brach? Dann würde ich die einzige normale Freundin verlieren, die ich hatte. Und wenn ich ihr von seinem wahren Leben erzählte – tja, dann würde sie wahrscheinlich nicht nur ihn, sondern gleich auch noch mich mit für verrückt erklären. Ich wollte den Rest meines Abschlussjahrs ungern komplett ohne Freunde verbringen.
»Kannst du ihn mal ans Telefon holen? Carlee? Gib mir bitte mal Jack.«
Sie lachte und rief etwas, das ich über den Krach im Hintergrund nicht verstand. »Okay, ich muss Schluss machen – wir wollen jetzt alle zum Friedhof! Danke noch mal, Süße! Morgen berichte ich dir dann die schmutzigen Details!«
Die Verbindung brach ab. »Piep.« Wie erstarrt klappte ich mein Handy zu. Da war doch die Katastrophe vorprogrammiert. Jack war nicht gerade ein Muster an Diskretion – oder Vernunft, was das betraf – und wenn er Carlee gegenüber meine Geheimnisse ausplauderte …
»Aha, Jack also.« Lends Stimme klang ausdruckslos, mühevoll beherrscht.
Ich schüttelte den Kopf und hasste Jack dafür, dass er unseren perfekten Abend ruiniert hatte. »Sieht so aus, als wäre er bei Carlees Party aufgetaucht.«
»Ach.« Mehr sagte Lend nicht. Ich konnte nichts gegen die Panik tun, die bei dem Gedanken an das, was Jack tun oder sagen könnte, in mir aufstieg. Im Saal ging das Strobolicht an, als die Kostümmodenschau anfing. Und wir verpassten alles.
»Ich sollte – sie wollen alle zum Friedhof. Ich sollte aufpassen, dass Jack keinen Ärger macht.«
»Wenn du meinst.« Wieder dieser ausdruckslose Tonfall. Wenn Lend versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, war das viel schlimmer, als wenn er einfach offen wütend war. »Ich muss sowieso schon heute Abend wieder zurück zur Uni fahren. Ich kann dich da absetzen – das liegt auf dem Weg. Meinst du, du kommst irgendwie zurück?«
»Klar, bestimmt mit Carlee.« Und selbst wenn nicht, war der Friedhof nur ungefähr eine Meile vom Diner entfernt. Ich würde lieber laufen, als Lend darum zu bitten, zu warten oder mitzukommen. So hätte unser Abend nicht enden dürfen. Mist, Mist, mistiger Mist.
»Bist du sicher?«
»Sicher. Danke.«
Die Fahrt war schrecklich und mit jeder schweigsamen Minute wuchs meine Entschlossenheit, Jack den Hals umzudrehen. Als wir beinahe da waren, klingelte mein Handy.
»Carlee?«
»Hier ist Arianna.«
»Oh. Was ist los?«
»Ich halt’s nicht mehr länger hier in der Wohnung aus. Im Crown zeigen sie einen Slasherfilm-Marathon. Wo seid ihr gerade?«
Mein Herz zog sich zusammen. Na großartig. Musste sie sich unbedingt jetzt zum Geselligsein entschließen? »Äh, eigentlich will ich noch zu einer Party und Lend fährt zurück zur Uni. Aber vielleicht komm ich nach?« Ich wartete auf eine Antwort, aber sie hatte schon aufgelegt. »Na toll«, murmelte ich und warf das Handy in meine Handtasche.
Lend hielt vor dem schmiedeeisernen Zaun, der den Friedhof eingrenzte. Es war wirklich ein schönes Fleckchen – und glaubt mir, ich hab im Leben schon mehr als genug Friedhöfe gesehen. Riesige, efeubewachsene Bäume ragten über dem Gelände auf, wodurch alles sehr lauschig wirkte. Zwischen den Gräbern wanden sich schmale, gepflasterte Pfade, die hier und da von steinernen Bänken gesäumt wurden. Tagsüber war es der friedlichste, hübscheste, netteste Ort für die ewige Ruhe, den man sich nur wünschen konnte.
Aber nachts? Ganz schön gruselig. Der Bäume wegen konnte man in keine Richtung weiter als fünf Meter sehen und die paar erbärmlichen Laternenpfähle sorgten auch nicht gerade für strahlende Helligkeit.
»Hast du Tasey dabei?«, fragte Lend.
Ich stieß ein hysterisches Lachen aus. »Du wirst es kaum glauben, aber ich nehme sie normalerweise nicht mit zu unseren Dates. Außerdem sind wir hier doch auf dem Territorium deines Dads. Das dürfte so in etwa der sicherste Friedhof der Welt sein.« Die Vampire hier waren schon beinahe militant in ihren Bemühungen, sich gegenseitig zu überwachen. Sie würden es auf keinen Fall zulassen, dass einer von ihnen irgendwo in der Gegend Mist baute und ihnen so unnötig viel Aufmerksamkeit bescherte.
»Aber deine Kette trägst du, oder?«
Lächelnd zog ich sie unter meinem Kleid hervor. »Klar. Mir passiert schon nichts. Und wenn ich Tasey mithätte, würde ich wahrscheinlich sowieso nur Jack damit foltern.«
Ich hatte auf ein Grinsen gehofft, aber Lend seufzte nur und nickte. »Dann sehen wir uns morgen Abend.«
»Ja.« Ich beugte mich rüber und bekam zumindest
Weitere Kostenlose Bücher