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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Kiefer.
    Der Fahrer drehte sich halb zu ihm um, betrachtete ihn mit einer Mischung aus Sorge und Irritation, bevor er abwehrend den Kopf schüttelte: „Nein, die Dame hat gesagt, dass du das versuchen würdest, Junge. Wir fahren weiter. Ich will nicht schuld sein, wenn du zusammenklappst.“
    „Sie verstehen nicht, ich brauche dringend etwas von daheim“, entgegnete Andreas lahm. „Sehr wichtige Medikamente.“
    „Der Zahnarzt ist im Klinikum. Die sind Kummer gewohnt“, erklärte der Fahrer geduldig. „Was immer du brauchst, werden sie mit Sicherheit vor Ort haben.“
    Gutes Argument. Sehr gutes Argument. Bestimmt hatte die Klinik tollen Stoff, der ihm helfen würde. Gegen die Schmerzen und gegen alles andere. Übelkeit erfasste Andreas. Gut, dass er nichts gegessen hatte.
    Die Fahrt wurde lang und länger. Jede Kurve spürte er in seinem Nacken, seinem Kopf. Jedes Schlagloch in seinem Kiefer. Nur allmählich wurde er wach und wollte es nicht sein.
    Krankenhaus. Ärzte. Das war gut. In einem Krankenhaus konnte wenig passieren. Abgesehen von Kunstfehlern natürlich. Kunstfehlern, fälschlich verabreichten Medikamenten, allergischen Reaktionen auf Narkotika oder Betäubungen, plötzlicher Kreislaufstillstand, weil er zu viel Chemie im Blut hatte, ein Arzt, der zu lange im Dienst war und ihm ... und ihm ... Da war sie wieder. Die Angst. Sie hatte unter dem Schmerz gelauert und nun balgte sie sich mit ihm um ihren angestammten Platz.
    Andreas griff sich an den Kopf, verbarg seine feuchten Augen unter seiner Hand. Beides auf einmal konnte er nicht ertragen. Das war nicht fair.
    Endlose Hausfassaden, grau gewaschen vom Regen und der Trägheit seiner Pupillen. Zu schlechte Luft in seinen Lungen, das Gefühl, dass ihm der Magen durch die Kehle in den Mund kroch. Feuer in seinem Zahnfleisch. Kein Eis, um es zu löschen. Rote Ampeln, grüne Ampeln. Andreas wusste nicht, welche ihm lieber waren. Ein Teil von ihm wollte in die Klinik, ein anderer Teil wünschte sich, bis zum Ende seiner Tage um die Innenstadt zu kurven.
    Der Fahrer ... war ihm egal. Zumindest für den Moment. Seine Sinne erreichten ihre Grenzen. Und doch wusste er, dass er in einem anderen Leben, an einem anderen Tag bereits jetzt in Erwägung gezogen hätte, beim nächsten Stoppschild aus dem Wagen zu springen und zu rennen. Wohin? Wusste er nicht.
    Das Klinikum war ein gewaltiges Bauwerk, bestehend aus alten und neuen Gebäuden, die mehr oder minder elegant ineinander verstrickt waren. Etwas Kühles ging davon aus. Die Krankenwagen, die mit Blaulicht in Richtung Notaufnahme rasten, machten es nicht sympathischer.
    Es wimmelte von Angestellten, Besuchern, Taxifahrern, Patienten, die gesund genug waren, um zwischen den wenigen Grünflächen spazieren zu gehen.
    „Ich begleite dich nach drinnen“, erklärte der Fahrer entschlossen.
    Offensichtlich hatte Ivana ihn gut instruiert. Denn trotz der Schmerzen erwischte Andreas sich bei dem Gedanken, dass er mit dem nächsten Taxi nach Hause fahren wollte.
    Seine Beine zitterten, als er aus dem Wagen stieg und auf die gläsernen Schiebetüren zuging. Sie lauerten auf ihn wie ein hungriges Raubtier. Die Eingangshalle mit der Cafeteria, dem Kiosk und den kleinen Blumengeschäften war bemüht freundlich gehalten, doch der strenge Geruch der Desinfektionsmittel sorgte dafür, dass man sich keinerlei Illusion hingeben konnte.
    Andreas würgte, als er zum Empfang trat und stockend sein Anliegen vortrug.
    Die Mitarbeiterin hinter dem Schreibtisch musterte ihn mit der Kälte einer Frau, die schon zu viele Kranke gesehen hatte, bevor sie ihm erklärte, dass er im falschen Gebäude war. Die zahnärztliche Abteilung war in einem anderen Bereich. Andreas unterdrückte den Drang, mit den Zähnen zu knirschen.
    „Gut, dann fahren wir eben dort hin“, murrte der Fahrer und schimpfte auf dem Weg nach draußen über unfreundliche Krankenhausangestellte, schlechte Ausschilderung und den Mangel an Parkplätzen auf der Südseite des Klinikums.
    Lange Minuten verstrichen, bis sie den richtigen Eingang entdeckten – er führte in ein Kellergeschoss. Andreas war nicht sicher, wie er das finden sollte. Keller hatten etwas Heimeliges, aber irgendwie schmeckte es ihm nicht, dass man die Zahnärzte in den letzten Winkel der Klinik verbannt hatte. Was das wohl über ihre Qualität aussagte?
    Dieses Mal war es schwerer, den Empfangsbereich zu finden. Aber wenigstens wurden sie dort freundlicher begrüßt.
    „Das sieht ja gar nicht gut

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