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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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keinem anderen Zimmer der Villa.
    Verdammt, ignoriere diesen Mist doch einfach, beschwor er Sascha stumm. Lass uns nach oben gehen und den Rest der Welt aussperren.  
    Doch der Blick seines Freundes lastete schwer auf ihm. Schwer und merkwürdig dunkel.
    Andreas fühlte sich wie ein Insekt unter dem Mikroskop, das hilflos seine Fühlerchen bewegte und auf seine Sezierung wartete.
    „Komm, das ist doch egal. Ich mag Weihnachten eh nicht leiden“, versuchte er sich aus der Affäre zu winden und begriff zu spät, dass er mit der letzten Bemerkung mehr verriet, als ihm lieb sein konnte.
    „Was soll das heißen?“, hakte Sascha sofort nach. „Feiert ihr Weihnachten nicht? Du hast doch gesagt, ihr würdet das übliche Programm abziehen. Mit Essen und Familientamtam und ...“
    Er unterbrach sich, löste sich von Andreas' Seite und trat in den Raum hinein. Während Sascha sich suchend umsah, wand Andreas sich wie eine Schlange. Nervös sah er dabei zu, wie sein Freund sich um sich selbst drehte und mit scharfen Augen jedes Detail in sich aufnahm. Sah dabei zu, wie sich in Saschas Gesicht nach und nach die Erkenntnis zeigte.
    „Ihr feiert gar nicht“, sagte er schließlich tonlos. „Warum hast du das nicht gesagt? Dann hätte ich ... du hättest ... “ Wieder blieb Sascha mitten im Satz hängen.
    Andreas wollte am liebsten weglaufen, als er begriff, an was Saschas Blick kleben geblieben war. Es waren die beiden unberührten Geschenke auf der Anrichte, die dort verloren auf die Heimkehr seiner Eltern warteten.
    „Für wen ist das?“, wollte Sascha wissen.
    „Egal. Lass uns gehen.“
    „Andreas!“
    Noch nie hatte Sascha ihm gegenüber einen so beißenden Tonfall angeschlagen. Verwirrt ging Andreas einen Schritt rückwärts, als er den harten Zug um Saschas Mund bemerkte. Was sollte das? War Sascha sauer auf ihn? Weswegen?
    „Sie sind für meine Eltern, okay?“, gab er schließlich zu.
    Es tat weh zu wissen, dass sein Freund sich nun Stück für Stück ausrechnen konnte, wie elend und erbärmlich Andreas' Weihnachten ausgefallen war.
    „Also feiert mindestens einer hier doch Weihnachten“, knurrte Sascha und rieb sich über die Augen. Sein Mund bewegte sich dabei stumm, als wäre er nach der Suche nach Worten.
    Schließlich atmete er hörbar durch die Nase aus und fragte ungleich sanfter als zuvor: „Möchte ich wissen, wo deine Eltern sind und wie lange sie schon weg sind? Heiligabend waren sie offenbar nicht hier, wenn ihre Geschenke noch da stehen. Möchte ich wissen, wer dir in den letzten Tagen Gesellschaft geleistet hat?“
    Andreas drückte die Fingernägel seiner rechten Hand in seinen linken Oberarm und wich Saschas Blick aus. Genau das hier hatte er vermeiden wollen. Fragen. Antworten, die keiner brauchte. Ein schlechtes Gewissen und ein dummes Gefühl für Sascha.
    Tausendundeine Lüge wollte sich seiner bemächtigen, aber er brachte es nicht über das Herz. Nicht, wenn Sascha ihn mit schwer zu entschlüsselnder Miene ansah und die Wahrheit wissen wollte.
    „St. Moritz. Seit dem zwanzigsten Dezember. Niemand“, brachte Andreas mühsam die wichtigsten Details hervor.
    Sein Selbst teilte sich in zwei Hälften, als der Schmerz durch das Aussprechen der Tatsachen frisch durch seine Brust flammte. Ein Teil von ihm wollte das Thema fallen lassen und nie wieder erwähnen. Und ein anderer Teil hoffte, dass Sascha zu ihm kommen und ihn trösten würde. Festhalten. Küssen. Ihm sagen, dass er das nicht verdient hatte. Beides war utopisch.
    „Und wann wolltest du mir das sagen?“, fragte Sascha sichtlich aufgebracht. „Ich meine ... was soll das denn? Wäre ganz nett gewesen, wenn ich das gewusst hätte. Ach vergiss es doch.“
    Abrupt ging er an Andreas vorbei und sah mit verschränkte Armen aus dem Fenster. Er stand so nah an der Scheibe, dass sein Atem weiße Wolken auf dem Glas bildete.
    Andreas fühlte sich, als hätte er eine Ohrfeige bekommen. Damit hatte er nicht gerechnet. Oder doch? Was hatte er jetzt schon wieder falsch gemacht? Sascha war böse mit ihm und er verstand nicht, wieso. Andreas hatte ihn nur mit seinen familiären Schwierigkeiten verschonen wollen.
    Zutiefst enttäuscht zog er sich auf einen einzelnen stehenden Sessel zurück.
    Nein, das hatte er nicht erwartet. Da hatte er geschwiegen, um Saschas Weihnachten, das eh schon schlimm genug zu werden drohte, nicht zu komplizieren und nun bekam er wieder Ärger.
    Ein trauriges Lächeln spielte um Andreas' Mundwinkel. Hatte er wirklich

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