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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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verständnisvoll. Andreas verzog das Gesicht zu einer Grimasse und warf sich wieder aufs Bett. Weder machte er sich dieses Mal Gedanken über die große Nähe zwischen ihnen noch fiel ihm auf, dass das Misstrauen – oder die Unsicherheit – aus Saschas Miene verschwunden war.
    Es gab einen Faktor, der alle Teenager der Welt miteinander verband: Die temporäre, in den meisten Fällen objektiv betrachtet nicht gerechtfertigte Gereiztheit bezogen auf die eigenen Eltern. Ein weiteres Steinchen im Mosaik ihrer Bekanntschaft suchte sich seinen Platz und das Bild des jeweils anderen wurde ein klein wenig klarer.
    „Mütter“, schnaubte Andreas und erntete dafür einen aufmunternden Klaps auf den Rücken. Es tat gut, seinen Frust zu teilen und zu wissen, dass andere Leute ebenfalls Schwierigkeiten mit ihrer Familie hatten. Noch besser wäre es gewesen, wäre die Hand auf seinem Rücken liegen geblieben, um ihn zu streicheln.
    „Oder allgemein Eltern“, nickte Sascha zustimmend. „Überall dasselbe. So, und was sehen wir uns jetzt an? Der Abend ist noch jung und wir haben viel vor.“
     
    Kapitel 13  
     
    Stille.
    Aber keine wahre Stille. Lediglich eine Menschliche. Die Spülmaschine rumpelte in der Küche. Autos passierten die mit hohen Chaussee-Bäumen umrahmte Straße. Sachte Windböen griffen nach den Fenstern und brachten die Jalousien zum Knarren. Menschen auf dem Bürgersteig, Menschen unten am Elbstrand, Menschen im Fernseher und Menschen auf den Familienfotos an den Wänden. Und trotzdem fiel Sascha angesichts der Stille die Decke auf den Kopf.
    Er war kein Mensch, der gerne allein blieb. Er brauchte selten einen Rahmen für sich allein. Zwei Wochen Hamburg, und es fühlte sich immer noch merkwürdig an. Was hätte er früher an einem solchen Sommertag gemacht, wenn niemand zu Hause war und keinerlei Verpflichtungen seine Aufmerksamkeit einforderten?
    Er hätte Freunde eingeladen oder sich auf sein Fahrrad gesetzt, um zu ihnen an den See zu fahren. Würstchen von der Tankstelle grillen, Bier trinken, Volleyball spielen. Im besten Fall auf einen experimentierfreudigen und/oder schwulen Jugendlichen stoßen, mit dem man sich gegen Morgengrauen in eine ruhige Ecke verziehen konnte. Schwimmen. Sich beim Wasserhandball verausgaben und hinterher ausgepumpt auf den künstlichen Sandstrand fallen. Sich den Liebeskummer einer Freundin klagen lassen. Ins Kino gehen. Euro-Paletten in der Sandgrube abfackeln und dabei so laut Musik hören, dass die Fledermäuse aus den Bäumen fielen. Sommer eben.
    Auch Hamburg hatte Schwimmbäder, Strände, Kinos, ruhige Ecken und vor allen Dingen Clubs, Bars und Treffpunkte für Homosexuelle. Was fehlte, waren die Freunde, die Vertrautheit alter Reviere, Erinnerungen an bessere Tage. Hier war alles neu, fremd und ein bisschen leer.
    Unruhe erfasste Sascha, als er durch das leere Haus streifte und durch die halb verdunkelten Fenster ins Freie spähte. Ihm war langweilig. Er erwartete nicht von Tanja, dass sie stets in seiner Nähe war, um ihn zu beschäftigen. Das wollte er gar nicht. Dass die beiden kleinen Kröten nicht daheim waren, war trotz aller Zuneigung zu ihnen ein Vorteil. Wen er wollte, waren Michael, Kathrin, Stephan, Daniel, Mehmet, Diana, Tim und Kai. Nein, Kai nicht. Auf den konnte er verzichten. Dafür hätte er sich jetzt aber zu gerne mit jedem Depp aus seinem Jahrgang beschäftigt, mit dem er sich früher nie abgeben hätte.
    Alles war besser, als nutzlos durch fremde Zimmer zu streifen und den Sommer an sich vorbei fliegen zu sehen. Da war das grelle Klingeln des Telefons eine willkommene Abwechslung. Sascha zögerte. Sollte er den Anruf entgegen nehmen? Ja, natürlich sollte er. Er war kein Gast, er wohnte hier.
    Schnell, um dem Anrufbeantworter zuvor zu kommen, griff er nach dem Hörer: „Bei Holmes.“
    „Wie gut, dass ich dich gleich erwische.“ Die Stimme klang auf gefährliche Weise kühl und verhieß Ärger. Ärger von außen, aber auch von innen, denn Sascha spürte schon jetzt, wie es in seinem Bauch zu ziehen begann. Seine Mutter meldete sich nach zwei Wochen bei ihm und hatte gleich ihren Vortrags-Tonfall am Leib? Na danke schön.
    „Hey“, knurrte er in Erwartung dessen, was auf ihn zukommen mochte.
    „Was hast du dir dabei gedacht? Kannst du mir das mal sagen?“
    „Danke, Mama, mir geht es gut. Und dir?“, giftete Sascha zurück; ahnungslos, was er nun schon wieder angestellt haben sollte.
    „Den Sarkasmus kannst du dir sparen“, entgegnete

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