Leben im Käfig (German Edition)
sie auf wie Feuer, das mit Öl gefüttert wurde.
Die Schlacht zwischen Spartanern und Persern erreichte ihren ersten Höhepunkt, als Andreas spürte, dass seine schlimmsten Befürchtungen wahr wurden. Ungeachtet seiner Nervosität, ungeachtet seines rasenden Herzens und einem Bündel anderer Sorgen regte sich das Tier in ihm.
Nicht, flehte er in Richtung seines Unterleibs. Ich kann jetzt wirklich keinen Ständer gebrauchen.
Doch wie so oft fragte der Körper nicht, was der Verstand von seinem Tun hielt. Zu viel Erotik – auch wenn sie nur daraus bestehen mochte, dass Sascha sich Schokolade zwischen die Lippen schob – ließ sich nicht ignorieren. Unangenehm berührt rutschte Andreas auf dem Stuhl hin und her. Sein Unterleib war entscheidend zu präsent für seinen Geschmack. Ein ausgiebiger Blick, und sein Geheimnis wäre gelüftet. Vielleicht könnte er sich mit dem Film herausreden und Sascha außen vor lassen, aber dabei würde er sich als schwul outen und das wollte er auf keinen Fall. Niemand wusste davon und so sollte es bleiben. Dummerweise hielt seine bedrohlich anwachsende Erektion nichts von Geheimhaltung.
Es gab nur zwei Lösungen: Entweder er verschwand schon wieder Richtung Toilette und vermittelte den Eindruck, eine Blasenerkrankung zu haben oder er tat das, was ihm schon vorher als beste Alternative erschienen war: sich bäuchlings auf das Bett legen. Bei genauerer Betrachtung war der erste Lösungsansatz wohl besser und richtiger. Doch Andreas' innerer Schweinehund trommelte zum Angriff und hatte ein paar sehr gute Argumente parat.
Erstens würde das Problem vermutlich nach einer Viertelstunde wieder auftauchen, selbst wenn er kalt duschte oder sich anderweitig Erleichterung verschaffte. Zweitens wollte er Saschas Spekulationen um seinen Gesundheitszustand keine weitere Nahrung verschaffen.
Zwei gute Argumente, aber wenn er ehrlich zu sich war, musste er zugeben, dass der dritte Punkt viel wichtiger war. Etwas in ihm wollte näher zu Sascha; auch dann, wenn es ihn ins Schwitzen brachte. Er mochte die Vorstellung, neben seinem Gast auf dem Bett zu liegen. Es wäre der innigste Körperkontakt, den er hatte, seitdem er den linkischen, seltenen Umarmungen seiner Mutter entwachsen war; also seit fünfzehn Jahren. Es wäre eine Illusion, aber doch eine angenehme. Und eine Wahl hatte er eh nicht. Es würde ein im wahrsten Sinne des Wortes harter Spätnachmittag werden.
Scheinbar gelassen stand Andreas auf und wanderte zu seinem Bett. Als er Anstalten machte, sich niederzulassen, rutschte Sascha entgegenkommend ein Stück beiseite. Sein Blick löste sich dabei zum Glück keine Sekunde lang vom Bildschirm. Dankbar streckte Andreas sich in aller Eile aus, den Kopf in Richtung Fernseher gewandt und das Kinn auf die verschränkten Unterarme gebettet.
„Was wird das denn? Liegst du immer auf dem Bauch? Jetzt klebst du ja praktisch mit der Nase an meinen Socken“, wunderte Sascha sich. Er ließ Andreas keine Zeit, sein Verhalten zu erklären, sondern rappelte sich auf und drehte sich ebenfalls um. Scheu blickte Andreas ihn von der Seite an.
Es sah merkwürdig aus, wie sie nebeneinander flach wie Flundern auf dem Bauch lagen. Es hatte aber auch etwas Vertrautes an sich, das Andreas sehr genoss. Abgesehen von der Kleinigkeit, dass er Sascha plötzlich riechen konnte und zu gerne seine Nase an dessen Schulter vergraben hätte, um wie ein Trüffelschwein seine Witterung aufzunehmen. Zwischen ihnen waren bestimmt dreißig Zentimeter leerer Raum und doch bildete Andreas sich ein, die Wärme zu spüren, die von Sascha ausging. Einbildung oder nicht, es fühlte sich gut an.
Als der Film sein Ende fand, überschwemmte Andreas eine neuerliche Welle Nervosität. Es war, als hätten die Ereignisse auf dem Fernseher ihm Halt gegeben, der ihn jetzt wieder verließ. Nun, da sie nicht mehr abgelenkt wurden, mussten sie sich nach einer neuen Beschäftigung umsehen. Unruhe ergriff von ihm Besitz und löste die unterschwellige Erregung ab. Seine Kehle wurde trocken, und als er nach seinem Glas griff, zitterten seine Finger wieder. Er wollte sich nichts von seinem inneren Aufruhr anmerken lassen, doch Sascha war ein Mensch mit einer guten Beobachtungsgabe; zumindest, wenn er nicht anderweitig abgelenkt wurde.
„Alles in Ordnung?“, fragte er leise und wandte sich Andreas zu.
„Was meinst du?“, würgte es den Gastgeber.
„Du wirkst ... nervös. Und du bist ganz käsig um die Nase.“ Sascha stockte.
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