Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
Vom Netzwerk:
Schweden.“
    Seine Stimme wurde leiser, bis er verstummte.
    Auf einmal war Sascha da. Er stand hinter ihm, berührte ihn an der Schulter.
    „Ist okay“, hörte Andreas es flüstern. „Sorry. Oh Gott, ich wollte das nicht. Wirklich nicht. Ich dachte ... ich wusste nicht ...“
    „Schon gut. Wenigstens interessierst du dich für mich. Das ist mehr als ich gewohnt bin.“
    Er schämte sich, so etwas zu sagen, aber es war die Wahrheit. Arme schlangen sich um seine Taille und drehten ihn behutsam um. Sascha legte die Hände um Andreas' Gesicht und küsste ihn auf die Nase, bevor er seine Stirn an seine Wange legte.
    Dann sagte er bitter: „Überall dasselbe. Aber weißt du was? Wir brauchen sie nicht. Unsere Eltern, meine ich. Echt, ich kann nicht fassen, dass sie dich damit allein gelassen haben. Und bei meinen Alten sehe ich auch kein Land mehr. Wir brauchen sie nicht.“
    Die neu gefundene Nähe tat Andreas gut. Warum er vor wenigen Minuten noch Raum zum Atmen gebraucht hatte, verstand er bereits nicht mehr.
    „Wir brauchen nur uns“, antwortete er tonlos, seine emotionale Hemmschwellen und Schutzwälle waren unten.
    „Nur uns“, bekräftigte Sascha und drückte sich eng an ihn. Es war nicht zu erkennen, wer wen tröstete. Es war nicht wichtig, denn der Zauber wirkte beidseitig. „Ach, und bevor ich es vergesse: Danke.“
    „Wofür?“
    „Für den Aufsatz und vor allen Dingen dafür, dass du mit mir geredet hast. Ich hätte dich nicht darum gebeten, wenn ich gewusst hätte, dass es dir so schwer fällt.“
    „Ich bin froh, dass du gefragt hast“, gab Andreas kleinlaut zu.
    Es stimmte. Der Wasserkessel in seiner Seele war explodiert und es hatte gut getan. Jetzt konnte er wieder frei atmen. Für den Moment fühlte er sich befreit. Sascha wusste im Detail, was mit ihm nicht in Ordnung war und war geblieben.
    Das Einzige, was Andreas nicht gefiel, war, dass es wieder nur um ihn ging. Um ihn, seine Phobie – er hasste dieses Wort, er hasste es von ganzem Herzen -, seine Gefühlsausbrüche und seine Sehnsüchte.
    Mit dem Instinkt eines Menschen, der selbst viel gelitten hatte, spürte er, dass Sascha aufgerieben war. Wund. Teils wegen seines Ausbruchs, teils, weil es ihm schon vorher nicht gut gegangen war.
    Saschas Eltern sollten froh sein, dass sie einen gesunden, großartigen Sohn hatten und ihn so annehmen, wie er war. Schwul oder nicht.
    Dass Andreas seine Gedanken laut ausgesprochen hatte, merkte er erst, als Sascha ihn stürmisch küsste und sich leise zum zweiten Mal bedankte.
    Andreas verliebte sich gleich noch einmal in ihn. An jedem Tag, mit jedem Ereignis kamen Sascha und er sich näher. Jedes Mal, wenn er glaubte, das Ende der Fahnenstange erreicht zu haben, rückten sie noch enger zusammen. Jetzt kannte Sascha seine heimlichsten Wünsche und trotzdem fühlte Andreas sich gut. Befreit. Als Teil einer Einheit.
    „Wir bekommen es hin, dass es dir ein bisschen besser geht“, murmelte Sascha träge. „Ganz, ganz langsam. Nächsten Sommer können wir vielleicht nachts am Strand sitzen und Caipirinha trinken. Wenn du mit mir in die Klinik fahren konntest, dann schaffst du auch die Strecke bis zum Elbstrand. Wenn du möchtest, heißt das.“
    Überwältigt krallte Andreas seine Hand in Saschas schwarze Haare und umarmte ihn heftig.
    Blicklos starrte er an die gegenüberliegende Wand und schwelgte in den Bildern, die durch seinen Geist tanzten. Der Strand bei Nacht. Nur sie beide. Etwas zu trinken. Vielleicht konnten sie am Wasser Würstchen und Mais grillen. Kein Mensch weit und breit, der sie störte. Über ihnen keine Zimmerdecke, unter ihnen kein Bett und kein Teppichboden. Nur Sand und die endlose Weite des Himmels.
    Es war eine herrliche Vorstellung. Fast zu schön, um wahr zu sein.
    „Ich will es versuchen“, hörte er sich selbst sagen.
    Der Strand, der Garten. Vielleicht hatte Sascha recht. Andreas würde nie die Freiheiten genießen, die andere Menschen besaßen, aber früher hatte er mehr gekonnt. Sich an mehr Orten wohlgefühlt. Es musste möglich sein, die Bereiche in der Nähe der Villa zurückzuerobern.
    „Ich weiß nicht, ob es funktioniert, aber wir können es versuchen. Aber jetzt ...“, Andreas löste sich von Sascha und sah ihn an, „genug davon. Ich habe dir eine Massage versprochen, glaube ich.“
    „Sicher, dass dir jetzt danach zumute ist?“
    Andreas lächelte und zupfte an Saschas Hemd: „Mehr denn je.“
    Ihm war nicht nur danach zumute, er musste es tun. Er brauchte

Weitere Kostenlose Bücher