Leben im Käfig (German Edition)
dass er überhaupt so lange gewartet hatte. Seltsam. Auf einmal schien es wichtiger denn je, dass sie zusammen waren. Zusammenblieben. Sonst musste er Andreas auch allein zurücklassen, wenn er anderweitig zu tun hatte. Es war nie ein Problem. Aber an diesem Tag wusste er instinktiv, dass es besser wäre, wenn sie zusammenblieben. Auf ihren Wunden stand nur oberflächlicher Schorf. Darunter lauerte die Blutung; bereit, jeden Augenblick an die Oberfläche zu treten.
„Ich denke schon“, gab er zu. „Ich muss zumindest herausfinden, wie es Katja geht und was daheim passiert ist. Und eigentlich ist es ganz schön daneben von mir, Tanja mit dem Schlamassel sitzen zu lassen.“
„Wenn man nicht mehr kann, kann man eben nicht mehr“, entgegnete Andreas lakonisch und sah ihm fest in die Augen. Sascha fand es eigenartig, aber er konnte dem Blick der ruhigen, braunen Augen auf einmal nicht standhalten. Um sich abzulenken, trank er einen letzten Schluck viel zu süßen Kaffee. Schließlich sagte er nachdenklich: „Vielleicht. Aber ich will das geklärt haben. Wenn ich es vor mir herschiebe, wird es nicht besser. Lieber erledige ich das heute und weiß, woran ich bin.“
In Gedanken fügte er hinzu: Und wenn ich das erledigt habe und es wieder eine Katastrophe gibt, weiß ich dieses Mal wenigstens, wo ich hingehen kann. Dann habe ich es hinter mir.
„Okay“, war alles, was Andreas dazu zu sagen hatte. War er verletzt? Vielleicht.
Deshalb fühlte Sascha sich bemüßigt zu sagen: „Aber danach haben wir alle Zeit der Welt. Wann sagtest du kommen deine Eltern wieder?“
„Am vierten Januar.“
Das genüssliche Schnurren, das Sascha daraufhin entglitt, schien Andreas ein bisschen zu trösten.
Als chaotische – und zum Teil verwöhnte – Jugendliche, die sie nun einmal waren, ließen sie den Frühstückstisch in einem Zustand der Unordnung zurück, als sie nach oben gingen. Einzig daran, die Wurst in den Kühlschrank zu stellen, erinnerte Andreas sich im letzten Moment.
Ihre Hände berührten sich, als sie nebeneinander Stufe für Stufe nahmen.
Sascha dachte nicht darüber nach, als er seinem Freund ungezwungen ins Badezimmer folgte und sich die Jeans abstreifte. Er fragte nicht. Andreas fragte nicht.
Sie wechselten lediglich einen kurzen Blick und glitten gemeinsam unter die geräumige Dusche.
Erst, als sie bereits unter dem heißen Wasserstrahl standen, der ihnen den Schweiß der vergangenen Nacht vom Körper wusch, wunderte Sascha sich über die Selbstverständlichkeit, mit der sie intime Dinge miteinander zu teilen begannen. Bei genauerer Betrachtung war es aber gar nicht verwunderlich, wenn man überlegte, was sie in der Nacht getan hatten.
Schmunzelnd griff er nach dem Duschgel und verteilte es auf seinen Händen, während er dachte, dass wohl kaum etwas intimer sein konnte, als jemanden in seinen Hintern zu lassen.
Andreas hielt das Gesicht in den trommelnden Regen. Seine Züge wirkten weich unter dem Einfluss des Wassers. Ein Flussdelta aus Rinnsalen bildete sich auf seinem Oberkörper und ließ die Brustwarzen deutlich hervortreten.
Fasziniert sah Sascha dabei zu, wie einzelne Tropfen auf die wohlgeformte Schulterpartie niedergingen und an den muskulösen Oberarmen entlang flossen. Gefangen im Schleier des Wassers und in der stillen Magie des Augenblicks streckte er die Hände aus und begann, das Duschgel in Andreas' Haut zu reiben. Mit den Daumen verteilte er den duftenden Schaum auf seinem Hals, bevor er langsam tiefer glitt und die Schultern benetzte.
Andreas blinzelte ihn an, in seinen Wimpern hingen Tropfen, und drehte sich nach einer Weile um. Zu gerne kam Sascha dem stummen Wunsch nach und ließ die Finger ausgiebig über den teilweise verspannten Rücken gleiten, massierte, rieb, streichelte und vergaß dabei die Zeit.
Sascha ertrank in dem guten Gefühl, gemeinsam mit Andreas in eine schillernde Seifenblase eingetaucht zu sein, die sie vor jeglichem Einfluss von außen schützte. Sie waren sich mit einem Mal so nah, dass es fast weh tat und ihm wieder einmal auf einer entfernten Ebene seines Verstandes Angst machte.
Seine Kehle wurde eng und er bekam den Eindruck, dass er in die Luft gehen würde, wenn er seine Hände nicht die vielfältigen Emotionen ausdrücken ließ, die in ihm tosten. Er genoss diese Empfindungen und gleichzeitig waren sie eine Umdrehung zu intensiv, wie alles in den letzten Tag zu schrill, zu heftig, zu extrem gewesen war.
Angeschlagen, schoss es ihm durch den
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