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Leben im Käfig (German Edition)

Leben im Käfig (German Edition)

Titel: Leben im Käfig (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raik Thorstad
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Treppenabsatz und küssten sich so begierig, dass sie das Frühstück aus den Augen verloren.
    Zusammen tobten sie in die Küche und inspizierten den Tisch, den Ivana ihnen zurechtgemacht hatte.
    Sascha lief das Wasser im Mund zusammen. Nicht nur Rührei und gebratener Speck warteten im Backofen auf sie. Die gute Seele hatte ihnen sogar frische Brötchen besorgt und Saft ausgepresst, von dem Andreas durstig ein Glas hinunter stürzte, bevor er bemerkte, dass Ivana die Orangen mit Grapefruits gestreckt hatte. Sascha bekam vor Lachen beinahe keine Luft mehr, während Andreas spuckte, angeekelt würgte und das Gesicht zu einer Grimasse verzog.
    Sie nahmen gegenüber voneinander Platz und langten schweigend zu. Zu groß war der Hunger nach den letzten Tagen, in denen die Nahrungsaufnahme bei Andreas nicht an erster Stelle gestanden hatte und für Sascha von der Anwesenheit seiner Mutter verdorben worden war.
    Die ersten Brötchen und ein Großteil des Rühreis waren bereits vertilgt, bevor sie langsamer wurden und Sascha sich dachte, dass die Winterfeldsche Küche etwas Angenehmes an sich hatte.
    Die Küche wirkte weniger leblos als der Rest des Hauses. Ivana hatte sich viel Mühe gegeben und ihnen sogar einen Teller mit Weihnachtskeksen neben den Kaffee gestellt. Und es war schön, nach einer gemeinsam verbrachten Nacht in Ruhe zusammen zu essen und nur das Nötigste miteinander zu bereden. Ihre Kommunikation beschränkte sich darauf, unter dem Tisch die Füße aneinander zu drücken und sich von Zeit zu Zeit verschmitzt anzulächeln.
    „Viel besser“, seufzte Sascha, als er endlich satt war und sich tief in den weißen Holzstuhl sinken ließ. „Ich fühle mich fast wieder wie ein Mensch.“
    „Nur fast?“
    „Ja.“ Er hob vielsagend den Arm und roch an seiner Achselhöhle. Neben seinem eigenen Körpergeruch nahm er deutlich Andreas' Note wahr, aber er ekelte sich keineswegs. Ganz im Gegenteil: Es war ein gutes Gefühl, die vergangene Nacht auf der Haut zu tragen. Sich zu erinnern, wie er mit ausgebreiteten Armen und frei von jeder Verantwortung auf dem Rücken gelegen hatte, während Andreas zwischen seine Beinen lag und ihn streichelte und verwöhnte. Dennoch, eine Dusche war unumgänglich. „Ich stinke wie ein Eber.“
    Andreas rümpfte seinerseits die Nase: „Ich auch. Ich klebe schon am Stuhl fest.“ Er zögerte kurz, stieß Sascha sanft mit dem Zeh gegen das Schienbein, bevor er fragte: „Und was hast du danach vor? Gehst du nach drüben?“
    Dieser Frage war Sascha innerlich bisher erfolgreich ausgewichen. Aus der behaglichen Idylle gerissen betrachtete er die verbliebenen Krümel auf seinem Teller und zählte abwesend die blauen Streifen im Muster des Porzellans. Er wusste nicht, was er tun sollte. Er wusste, was theoretisch richtig wäre – nach Hause gehen, sehen, ob er etwas für Tanja tun konnte, herausfinden, ob sie noch mal mit seiner Mutter gesprochen hatte und anschließend daheim anrufen -, aber er hatte keine Lust dazu.
    Viel lieber wollte er sich hier verkriechen, mit Andreas Playstation spielen, schlafen, essen, reden, zusammen sein. Er hatte auch nicht vergessen, dass sie am Vortag nicht alle offenen Fragen hatten klären können.
    Nie zuvor war ihm so bewusst gewesen wie jetzt, dass viel Arbeit vor ihnen lag. Vor ihm. Er musste Andreas besser verstehen lernen, wenn sie nicht andauernd gegen eine Wand rennen und sich selbst wehtun wollten. Mehr darüber lernen, wie er tickte. Und vor allen Dingen wollte er seinem Freund die Möglichkeit geben, sich endlich einmal von der Seele zu reden, was in diesem Hause vor sich ging.
    Oder nein, wenn Sascha ehrlich war, wollte er es schlicht wissen. Für sich selbst. Um ein klareres Bild zu haben. Um sich aufregen zu können und einen Grund zu haben, Andreas zur Seite zur stehen.
    Und natürlich auch – aber diesen Gedanken schob er brachial beiseite und aus seinem Bewusstsein -, weil es leichter war, sich mit Andreas' Dilemma auseinanderzusetzen als mit seinem eigenen.
    Ach, Mist, warum musste alles so kompliziert sein? Und warum drängte sich ihm die Frage auf, ob er dieser Aufgabe überhaupt gewachsen war? Andreas' Verhalten am Vortag hatte Sascha ernüchtert, wie er zugeben musste. Diese skurrilen Gedankengänge, die Tatsache, dass er alles, was gesagt wurde, in Zusammenhang mit seinen Eltern brachte ...
    „Du musst gehen, oder?“, fragte Andreas nach, als er minutenlang keine Antwort bekommen hatte.
    Sascha zog innerlich seinen Hut vor ihm,

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