Leben im Käfig (German Edition)
kühl.
„Aber es würde dir doch Freude machen“, warf seine Mutter leise ein. Er biss die Lippen aufeinander und sah sie an, dann zuckte er die Achseln: „Klar, wäre schon nicht schlecht.“
„Gut, dann bestellen wir es morgen.“ Richard rieb die Hände aneinander, als wäre ihm ein großer Coup gelungen. Seine Fröhlichkeit wirkte aufgesetzt.
Genauso unerwartet, wie die Familie sich versammelt hatte, brach sie wieder auseinander.
Andreas flüchtete in sein Zimmer und ärgerte sich. Seine Eltern gaben sich Mühe und eine Menge Geld für ihn aus, doch das war nicht alles im Leben. Aber das dachte man vielleicht auch nur, wenn man reich genug war. Er wollte sich damit nicht beschäftigen. Und ob nun ein weiteres teures Fitnessgerät im Keller auftauchte, war ihm egal. Das Gewissen seiner Eltern war damit für drei Wochen beruhigt, sodass sie ihn hoffentlich in Frieden ließen.
Egal. Es gab etwas Erfreulicheres, mit dem er sich auseinandersetzen wollte. Rasch tauschte er sein verschwitztes T-Shirt gegen ein sauberes aus, bevor er sich an seinen Schreibtisch setzte. Wie von selbst landeten seine langen Beine auf dem schwarzen Tower, die Finger an der Tastatur. Mit einem Klick startete Andreas sein Lieblingsspiel und loggte sich ein. Aus den Boxen neben dem Monitor dröhnte der Soundtrack.
Die virtuelle Welt lockte.
Er musste eine Entscheidung fällen. Jetzt. Warum?
Weil er es sich vorgenommen hatte und weil er Sascha nicht zu lange warten lassen wollte. 24 Stunden Bedenkzeit waren in Ordnung, danach wurde es peinlich.
Sascha.
Es war ein Risiko. Wenn er einmal eine Verbindung zwischen ihren Accounts hergestellt hatte, würde der Nachbar es immer sehen, wenn er online war. In diesem Spiel gab es keine Möglichkeit, sich unsichtbar einzuloggen. Das bedeutete, dass Sascha erfahren würde, wie viel er vor dem Rechner hing und zu welchen Zeiten. Außerdem konnte er sich nicht mehr vor ihm verstecken, falls es Schwierigkeiten gab und sie sich nicht vertrugen.
Was, wenn es Andreas selbst durch das geschriebene Wort anzumerken war, wenn es ihm nicht gut ging? Musste er dann damit rechnen, dass sein Nachbar plötzlich vor der Haustür stand? Und wenn ja, wäre das eine schlimme oder eine gute Sache?
Feigling oder nicht? Das war die Frage.
Andreas warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Fenster. Es wäre ihm viel lieber gewesen, Sascha die Stadt zu zeigen, mit ihm ins Kino zu gehen oder auf ein Konzert. Aber Kontakt über das Internet ... das war als Methadon auch nicht schlecht. Falls er sich traute.
Andreas' Finger bebten, als er langsam den fremden Accountnamen in das dafür vorgesehene Fenster tippte. Er war nervös. Was erwartete er? Panikattacken bekam er nur draußen. Damit hatte seine Angst nichts zu tun.
Was sollte also groß passieren? Vermutlich war genau dies das Problem: Er hatte eher Angst vor dem, was nicht passieren könnte. Enttäuschte Hoffnungen waren etwas Grausames; besonders, wenn man eh nicht viel vom Leben hatte. Vor dem Fenster zu kleben, statt virtuell mit jemandem zu tun zu haben, war allerdings dämlich. Und wer wollte schon dämlich und feige sein?
Senden. Die Anfrage war draußen. Nun konnte er nur noch warten.
Nicht viel später öffnete sich ein Chatfenster, dessen Anblick Andreas' Augen zum Leuchten brachte. Ruckartig setzte er sich auf. In seinem Bauch setzte ein Schwarm Hummeln zum Rundflug an.
“Andreas? Bist du das?“
Klar, Sascha kannte seinen Namen im Spiel nicht, wusste nicht, wer ihn angeschrieben hatte. Eilig tippte er zurück: „Jepp.“
“Cool, legen wir gleich los?“
„Wenn du Zeit hast, gern.“
Die Antwort folgte auf den Fuß: “Klar, ich hab schon auf dich gewartet. Lass uns rocken.“ Eine Minute später wurden sie in das erste Spiel gezogen und begannen Seite an Seite, ihre Schlacht gegen das gegnerische Team zu schlagen. Viel Zeit zum Tippen und damit zum Reden blieb nicht, aber sie funktionierten gut zusammen. Die andere Mannschaft musste sich bald ergeben. Und weil es so rund lief, meldeten sie sich gleich von Neuem an; gefangen in einem Universum aus Raumschiffen, Bodentruppen und einem Krieg, in dem ausnahmslos jeder ein Held sein konnte.
* * *
„Glaubst du, er freut sich?“ Margarete von Winterfeld schob sich in ihrem bodenlangen Seidennachthemd neben ihren Mann in das gemeinsame Ehebett. Nachdem sie sich das Make-Up aus dem Gesicht gewaschen hatte, fielen die dunklen Ringe unter ihren Augen extrem auf.
Frierend rieb sie
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