Leben im Käfig (German Edition)
stutzte und sich dann – Hilfe – auf ihn zu bewegte.
Andreas war sich sicher, dass er jede Sekunde tot umfallen würde. Wie ein Kaninchen vor der Schlange starrte er Sascha entgegen und fragte sich verzweifelt, welchen Eindruck es machen würde, wenn er hektisch ins Haus rannte. Er musste sich zusammenreißen. Noch einmal wollte er sich nicht daneben benehmen. Die Vorstellung, vor Sascha die Beherrschung zu verlieren, fraß ihn auf.
Es gab für ihn keine größere Sorge, als dass jemand anderes mitbekam, wie schwach und hilflos er war. Abgesehen von der Angst, fern von jeder Hilfe tot umzufallen natürlich.
„Hey, so sieht man sich wieder“, rief Sascha ihm mit einer Freundlichkeit entgegen, die Andreas erstaunte. Hatte der andere ihre unrühmliche, erste Begegnung etwa vergessen?
„Hallo“, murmelte er verlegen. Sollte er sich entschuldigen? Fieberhaft suchte er nach Worten und presste schließlich verkrampft hervor: „Und? Wieder etwas zu uns in den Garten geschossen?“
Sascha lachte und fuhr sich durch die Haare, warf einen Blick hinüber zu seinem Cousin, der einen Fuß auf seinen Ball gestellt hatte und nicht begeistert von der Zwangspause schien. „Noch nicht, aber wir geben unser Bestes. Hat es Probleme gegeben wegen der Vase?“
„Nein, alles in Ordnung.“
Margarete von Winterfeld hatte nicht bemerkt, dass die kleine Amphore verschwunden war. Andreas war sich nicht einmal sicher, ob sie seit dem Zwischenfall den Garten oder die Terrasse betreten hatte.
Die beiden jungen Männer sahen sich an; Sascha mit einem Lächeln, Andreas mit einem angestrengten Zug um den Mund. Alles in ihm verlangte nach Flucht. Wenn es nichts mehr zu sagen gab, würde er diesem Drang nachgeben. Bald.
Genau, und dich wieder zum Idioten machen, frohlockte sein innerer Teufel leise.
Ein peinliches Schweigen entstand zwischen ihnen. Für Andreas war es schwer genug, überhaupt stehen zu bleiben und für Sascha war es nicht angenehm, mit jemandem zu sprechen, der ein Stopschild im Gesicht spazieren trug.
Die Situation wirkte aussichtslos. Beide Teenager waren unangenehm berührt und fühlten sich nicht wohl. Alles sah danach aus, als ob auch das zweite Treffen zu einem Desaster werden würde.
Doch das Schicksal hatte am Morgen eine gütige Hand bewiesen, als es Andreas in den Kleiderschrank greifen ließ. Als das Schweigen unerträglich wurde, trat Sascha auf einmal interessiert einen Schritt näher an die Grundstücksgrenze und deutete mit leuchtenden Augen auf Andreas' T-Shirt: „He ... trägst du das nur zur Zierde oder spielst du auch?“
Verdattert sah Andreas an sich herab und fand auf seiner Brust den Schriftzug eines Computerspiels. Das schwarze Oberteil war bei der Collector's Edition des Strategiespiels dabei gewesen, das zurzeit sein Favorit war.
Ohne es zu ahnen, hatte Sascha den verkrampften Nachbarn mit seiner Frage auf ein Terrain geführt, auf dem er sich sicherer fühlte. Gedankenlos erwiderte Andreas: „Klar doch. Im Moment sogar fast ausschließlich.“
„Ich auch“, grinste Sascha. „Das Design und das Gameplay sind einzigartig. Und der Multiplayer-Modus über das Internet ist gigantisch.“
„Total“, blühte Andreas auf. Das gleichmäßige Atmen fiel ihm leichter. „Es ist egal, zu welcher Tageszeit du dich einloggst. Du hast immer innerhalb von zwei Minuten einen Gegner.“
„Und einige von denen sind richtig gut. Manchmal kann ich gar nicht so schnell aufbauen, wie die mich auseinandernehmen.“
„Jeder findet seinen Meister. Und es gibt natürlich ein paar Typen, die praktisch professionell spielen.“
Zustimmend nickte Sascha und verdrehte die Augen: „Im Moment bin ich blöderweise meistens alleine unterwegs statt im Team. Mein Partner hat es ein bisschen übertrieben und seine Zensuren haben das nicht verkraftet.“
„Bei mir dasselbe“, zuckte Andreas die Achseln. Schweiß rann ihm über den Rücken, aber er spürte es kaum. „Dabei müsste ich dringend mal ein paar Ranglistenspiele machen. Aber ich habe keine Lust, mühselig jemanden zu suchen, der auf meinem Level spielt.“
Sascha blinzelte, dann huschte so etwas wie Triumph über seine Züge. Er machte eine spöttische Verbeugung und winkte mit beiden Armen: „Hallo? Hier drüben? Wir haben beide kein Team? Versuchen wir es doch zusammen. Mehr als blamieren können wir uns nicht.“
Fragend und mit der Überlegenheit eines Spielers, der wusste, was er konnte, zog Andreas eine Augenbraue hoch: „Bist du
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