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Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst

Titel: Leben ist kurz, iss den Nachtisch zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Mass
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heraus.

    »Das hätte ich auch selber machen können«, flüstere ich ihr zu.
    Sie setzt die Kassette auf der Theke ab. »Können Sie die aufmachen?«
    »Was für eine hübsche Kassette!«, ruft der Mann und dreht sie in seinen Händen hin und her.
    Ah! Ich fühle mich bestätigt. Auch er findet sie hübsch.
    »In dieser Kassette steckt also der Sinn des Lebens, ja?« Seine Mundwinkel zucken.
    Ich tue so, als hätte ich ihn nicht gehört. Wenn mein Dad sagt, in dieser Kassette ist der Sinn des Lebens, dann ist er das verdammt noch mal auch. »Ich habe die Schlüssel verloren«, erkläre ich im geduldigsten Ton, den ich aufbringen kann. »Haben Sie eventuell passende da?«
    Er untersucht die Kassette gründlich und runzelt die Stirn. »Hmm. Mal sehen. Keine Kennzeichnungen dran, die darauf hinweisen könnten, woher sie kommt oder wer sie gebaut hat. Das hätte uns weiterhelfen können. Diese Schlüssellöcher sind sehr ausgefallen – wohl nur für die eine Kassette angefertigt. Vielleicht gibt’s eine andere Möglichkeit, reinzukommen.« Er schiebt die Kassette unter eine Lampe und schaltet das Licht ein.
    »Der Sinn des Lebens in einer Kassette«, murmelt er, während er sich darüber beugt, um sie genau unter die Lupe zu nehmen. »Wer hätte das gedacht.«
    Ein älterer Mann im gleichen Overall tritt aus dem Hinterzimmer. »Was höre ich da vom Sinn des Lebens in einer Kassette?«, will er wissen.
    Larry Junior deutet auf uns. »Die Kinder haben die Kassette hergebracht. Haben keine Ahnung, wo die Schlüssel sind.«

    »Keine Schlüssel, ja?«, fragt der Ältere und mustert uns gründlich. »Ich übernehme das«, sagt er dann und stellt sich hinter die Theke.
    »Schon recht, Papa«, sagt Larry junior. »Ich hab kapiert.«
    Der alte Mann – von dem ich annehmen darf, dass er Larry selbst ist – schüttelt den Kopf. »Wir haben gerade einen Anruf bekommen, dass Mrs Chang sich mal wieder ausgesperrt hat. Da wird deine Hilfe gebraucht.«
    Larry junior zuckt mit den Schultern und holt einen Werkzeugkoffer aus dem Regal. »Viel Glück«, sagt er und verlässt den Laden. Die Glöckchen bimmeln hinter ihm her.
    Wir wenden uns wieder Larry senior zu. Er hat die Hände auf die Kassette gelegt und die Augen geschlossen. Lizzy und ich ziehen die Augenbrauen hoch und tauschen einen Blick aus.
    »Ähem«, sage ich vorsichtig, »meinen Sie denn, dass Sie sie für uns aufmachen können?«
    Larry reißt die Augen auf. »Nö.«
    Meine Schultern sacken ein Stückchen nach unten.
    Er redet weiter. »Das ist keine gewöhnliche Kassette. Sie hat im Inneren einen ausgetüftelten Schließmechanismus mit Hebeln und Scheiben und …«
    »Das wissen wir«, unterbricht ihn Lizzy und betet dann aus Harolds Brief herunter: »Und jedes der vier Schlüssellöcher erfordert einen anderen Schlüssel, und eine innen angebrachte Verriegelung verhindert, dass die Kassette aufgebrochen wird.«
    »Nicht nur das«, sagt Larry, »es ist auch noch eine Metallhaut unterm Holz. Das heißt, dass niemand durch das Gehäuse kommt, ohne den Inhalt zu zerstören. Ein Säge oder Axt
würde alles kaputt machen. Ihr könnt die Metallkante sehen, wenn ihr in dem Spalt genau hinschaut.«
    Wir lehnen uns über die Theke und spähen im Lampenlicht angestrengt unter den Deckel. Er hat recht. Ich hatte den dünnen Metallrand, der dort sichtbar ist, vorher nicht bemerkt. Warum konnte mein Dad bloß keine normale Kassette kaufen, wie es jeder andere getan hätte? Eine mit nur einem Schlüsselloch?
    Larry senior schaltet die Lampe aus und schiebt uns die Kassette herüber. »Tut mir leid, wenn ich euch enttäuschen muss, aber der einzige Weg, irgendwie in diese Kassette reinzukommen, sind die Schlüssel.«
    Lizzy zeigt auf die reihenweise hinter dem Mann hängenden Schlüssel. »Was ist mit denen? Könnte irgendeiner davon passen?«
    Larry dreht sich nicht mal um. »Nö. Das sind Rohlinge, die wir verwenden, um Kopien von fertigen Schlüsseln zu machen. Allerdings hab ich eine Kiste mit Ersatzschlüsseln, die ich im Lauf der Jahre gesammelt hab. Könnt ihr gern durchsehen.«
    Er bückt sich und angelt ein Weilchen unter der Theke. Lizzy und ich stellen uns auf Zehenspitzen und sehen ihm erwartungsvoll zu. Endlich richtet er sich auf und überreicht mir eine Zigarrenkiste. Sie fühlt sich nicht einmal voll an. Ich versuche, meine Enttäuschung zu verbergen. Ich hatte mir eine riesige Kiste mit Hunderten von Schlüsseln vorgestellt.
    »Danke schön«, sagt Lizzy tapfer.

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