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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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anders, ich muss sie fragen: „Hat eigentlich nur Weis geschwiegen oder haben auch Sie geschwiegen?“
    Sie sieht mich an. „Wir beide … das heißt, zuerst wir beide … dann habe ich geredet und er hat weiter geschwiegen. Es geht um die innere Verbindung, verstehen Sie?“
    „Kommen Sie bitte mit, Frau Dasch“, sagt Berger zu ihr und führt sie ins Büro. Sie verschwinden hinter einer japanischen Reispapierwand. Ich sehe ihre Silhouetten und die Umrisse eines Schreibtischs. Sie zieht eine Geldtasche aus ihrer Gucci-Tasche.
    Jemand berührt mich an der Schulter, ganz leicht nur, Geisterhand. Ich zucke zusammen, fahre herum. Weis. Er lächelt milde wie immer. Wenn er sich den Gesichtsausdruck nicht hat anoperieren lassen, ist er vielleicht auf Drogen. Aber was wirkt so? Haschisch mit einer Spur Lachgas?
    „Kommen Sie mit“, sagt Weis und weist mir den Weg zum Begegnungsraum. Er lässt sich auf dem weißen Hocker nieder, sein Gewand wirft dekorative Falten. Seine Weis.Zentrum-Roben werden bei dem Schneider gefertigt, der sonst für unseren Kardinal arbeitet, hat er mir erzählt. Er scheint ziemlich stolz darauf zu sein. Und wer macht seine weißen Ziegenleder-Slipper? Ein Ziegenhirte und Schuster in Sardinien, der sonst dem Papst liefert? Ich versuche meine langen Beine irgendwie zu falten. Die Jüngerin vor mir hatte sich für einen Schneidersitz entschieden, so gelenkig bin ich nicht.
    „Haben Sie keinen Fotografen mit?“, lächelt Weis.
    „Wir haben genug Bilder von Ihnen im Archiv“, antworte ich ruppig. Er soll ruhig merken, dass ich nicht aus reiner Begeisterung da bin.
    „Dann lassen Sie uns einmal nachdenken, was uns gestern im Rathaus begegnet ist“, sagt Weis und schließt die Augen.
    Moment mal, dieses Meditationsgetue kann er sich bei mir abschminken. Ich will schon etwas in diese Richtung sagen, da beginnt er zu reden. Langsam, mit noch immer geschlossenen Augen.
    „Wir saßen am selben Tisch. Ich fühle eine Mischung aus Spannung und Abspannung, nicht Entspannung, Abspannung, wenn Sie verstehen.“
    Ich unterbreche ihn. „Haben Sie irgendetwas Außergewöhnliches bemerkt?“
    „So fragt die Polizei“, antwortet er, klappt die Augen auf und sieht mich beleidigt an. „Mir begegnet in jedem Moment Außergewöhnliches, aber es ist wohl nicht das, was Sie oder eben die Polizei darunter verstehen würden.“
    „Sie sind mehrmals vom Tisch aufgestanden“, beharre ich auf Konkretem. „Wo waren Sie? Wen haben Sie getroffen?“
    Weis sieht mich an. „Auch Sie sind aufgestanden. Ich glaube, einmal.“
    „Ich war auf der Toilette.“
    „Auch ich habe diesen Ort aufgesucht.“
    „Mehrmals? Irgendwas nicht in Ordnung mit der Verdauung?“ Sorry, er geht mir auf die Nerven.
    Lächeln. „Sie sollten sich überlegen, woher Ihre Aggressivität kommt, das habe ich mir schon öfter gedacht. Also: Ich war einmal auf der Toilette, ein anderes Mal habe ich einen Rundgang gemacht, Menschen begrüßt, ich war vor der Türe, auch im Seitengang, wenn ich mich recht erinnere. – Sie sollten mich fragen, warum es passiert ist und wieso Menschen auf eine Drohung derart panisch reagieren.“
    Um denselben Schmus zu hören wie die Journalisten vor mir? Sicher nicht. „Nach Ihnen ist Frau Moylen aufgestanden, nach ihr die Jüngerin, die gerade bei Ihnen war, danach Zerwolf. Was war das? Ein konspiratives Treffen?“
    Weis sieht mich belustigt an. „Wie soll ich wissen, wer nach mir aufgestanden ist? Ich war ja nicht mehr dort. Nein, soviel ich mich erinnern kann, habe ich keinen der drei getroffen. Ich pflege mich im Übrigen auch nicht auf Damentoiletten herumzutreiben. Reden wir über die Bombe. Meine Zeit ist begrenzt.“
    Ich seufze. „Wem im Umfeld der Literaturgala trauen Sie die Tat zu?“
    „Jedem. Natürlich. Jeder ist zu etwas … Besonderem fähig.“
    „Besonderem? Das war eine Bombendrohung.“
    „Sie wissen, dass ich Wertungen ablehne. Ob etwas gut oder böse ist, erkennt jeder, der rein und weise ist, in sich selbst. Niemand braucht meine Wertungen. Ich bin nur der Führer auf dem Weg. Die Panik gestern Abend hat leider gezeigt, wie wenige diese innere Ruhe haben. Terror und Krise können uns nur etwas anhaben, wenn wir es zulassen.“
    „Wenn also eine Bombe hochgeht, dann brauchen wir nur weise und rein genug sein, um uns nicht aufzuregen, und die Bombe verpufft.“
    „Sie wird verpuffen, sie wird höchstens ein momentanes Ereignis sein.“
    „Und wir verpuffen mit ihr und sind

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