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Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi

Titel: Leben lassen - ein Mira-Valensky-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wien/Bozen Folio Verlag
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selbstverständlich erkennen. Ich sehe jedem ins Gesicht. Und ich habe den Eindruck, auch mir sehen mehr Menschen als sonst ins Gesicht. Nicht nur ich überlege, wer mit der Bombe gedroht haben könnte. Passanten, die davon gelesen haben. Galagäste, die die Panik miterlebt haben. Polizei in Zivil. Mich können sie jedenfalls als Verdächtige ausschließen. Ich bin eine Frau. Und zum wenigen, was man über den Anrufer sagen kann, gehört: Es hat sich eindeutig um eine männliche Stimme gehandelt.
    Der Eingang zum Rathaus in der Bartensteingasse ist heute gut gesichert. Üblicherweise kann hier jeder ein und aus gehen, Amtstermine wahrnehmen oder einfach den hübschen Innenhof bewundern. Von dicken Mauern umgeben und trotzdem einladend offen. Ich finde zu viel Glas so verdächtig wie Menschen, die sagen: „Ich habe nichts zu verbergen!“ Jeder hat etwas zu verbergen. Heute bewachen Männer mit Maschinenpistolen im Anschlag den Eingang. Ich fühle mich von ihnen nicht beschützt, sondern bedroht. Wie leicht so eine Waffe losgehen kann. Und was, wenn einer der Typen durchknallt, weil er drei Tage lang schlecht gegessen hat? Was, wenn einer glaubt den Bombenleger zu sehen? Meine Handtasche ist groß, da ginge so einiges hinein. Zum Glück muss ich nicht ins Innere des Rathauses, ich warte auf Vesna. Ich sollte die Taxifahrer befragen, zumindest die, die hier regelmäßig stehen. Aber das hat die Polizei wohl längst getan. Ob mir Verhofen davon erzählen würde? Alles erzählt er mir sicher auch nicht. Ich muss aufpassen, dass ich ihn mit meiner Story fürs „Magazin“ nicht in Schwierigkeiten bringe.
    Vesna eilt vom Rathauspark her auf mich zu. Sie war immer schlank, muskulös. Seit sie läuft, ist sie noch schlanker geworden. Man sieht ihr nie im Leben an, dass sie im nächsten Jahr fünfzig wird. Jeans, Turnschuhe, T-Shirt, elastischer Schritt.
    „Du weißt schon mehr, Mira Valensky?“, fragt sie anstelle einer Begrüßung. Mich häufig mit Vor- und Nachnamen anzureden, hat sie aus der Zeit, in der ich ihr das Du-Wort angetragen habe, sie es aber seltsam fand, dass eine Putzfrau und ihre Arbeitgeberin Du zueinander sagen. Keine Frage von Bescheidenheit, sondern ihr Stil. Das war mir damals schon klar. Und ihr eigenständiger Stil gehört nach wie vor zu den vielen Gründen, warum ich sie so mag.
    „Nicht wirklich. Weis wird seinem Buch noch ein Kapitel hinzufügen. ‚Die Bedrohung – Vom Terror in unseren Köpfen‘.“ Er hat mir den Titel, noch während ich ins Stadtzentrum gefahren bin, via SMS geschickt. Offenbar ist er auch noch stolz darauf.
    „Und was, wenn er es war?“, grinst Vesna. Sie kann ihn nicht ausstehen. Ich habe sie einmal zu einem Treffen mitgenommen, sie wollte den Fernsehguru live erleben. Hat ihr schnell gereicht. Vesna mit ihrem praktischen Verstand und der lächelnde Schaumschläger – das geht einfach nicht zusammen.
    „Wäre zu schön“, erwidere ich.
    Vesna nickt. „Ich habe überlegt. Kommt kaum jemals vor, dass Terroristen nur mit Bombe drohen. Entweder sie geht gleich hoch oder es gibt zumindest Bekennerschreiben, wahrscheinlich auch weitere Drohungen. Macht sonst keinen Sinn für sie. Gibt es kein Bekennerschreiben, oder?“
    „Ich glaube, nicht. Ich hab mich mit jemand von der Sondereinheit getroffen, der hat nichts davon erzählt.“
    „Neue Polizeikontakte?“, Vesna zieht mich weiter. „Gehen wir einfach hier um das Rathaus ein bisschen spazieren.“
    „Verhofen. Ich denke, ich hab dir von ihm erzählt.“
    „Der für die UNO in Krisengebieten Polizei ausgebildet hat?“
    Ich nicke. „Zerwolf war übrigens auch auf der Gala.“
    Ich setze schon zu einer Erklärung an, wer das ist, als mich Vesna unterbricht: „Wolfgang Zermatt. Der geht auf eine Gala?“
    „Woher kennst du ihn? Woher weißt du, wie er wirklich heißt?“
    Vesna lächelt. „Kenne ich eben viele Menschen.“
    „Sag nicht, dass deine Firma bei ihm putzt.“
    „Leider nein, aber Valentin und er haben gemeinsam studiert. Sie waren sogar Freunde. Als Zerwolf das letzte Mal gesprochen hat, hat mir Valentin davon erzählt. Wolfgang war der beste von allen Philosophiestudenten. Und konsequent und wissensgierig, hat er einige Professoren fast zur Verzweiflung getrieben. Jeder hat gesagt, der wird ein großer Philosoph und ein wichtiger Lehrer, aber dann hat er alles anders gemacht.“
    „Wenn Valentin ihn anruft: Meinst du, er spricht mit uns?“ Das wäre etwas fürs „Magazin“: ein Interview mit

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