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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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aus den USA spielte, waren die Säle voll. Aber auch die gute alte Operette fand wieder ihr Publikum. Aus ihrem Stammquartier in Den Haag kam die »Hirsch Operette«, eine deutsche Kompagnie, zu deren Stars Richard Tauber zählte, erfolgreich mit der »Czardasfürstin« nach Amsterdam.
    Im Theater Carré an der Amstel feierte Louis Davids 1929 einen weiteren Höhepunkt seiner Karriere mit dem Auftritt in der Revue »Lach … und vergiss!« Sein Lied vom »Kleinen Mann« im billigen Konfektionsanzug und Bata-Schuhen, ein Hungerleider, der am Ende immer die Rechnung bezahlt, während einige »auf hohen Stühlen« sitzen, konnte es an Popularität mit der Nationalhymne aufnehmen. In der Revue spielte auch ein gewisser Johan Heesters mit. Außerdem versprachen die Zeitungsanzeigen neben Louis Davids ein berühmtes russisches Tanzpaar, »The Big Ben Girls« und »Vier Große Finale«. Wozu nach London oder Paris fahren, Amsterdam war zur Bühne für internationale Stars geworden.

III
    Umjubelte Immigranten im Tuschinski – Immer mehr Arbeitslose – Die »Bei-uns-Menschen« – Holländische Nazis – Keine Judenfrage – Hitlers Krieg, aber nicht bei uns!
    1930 bis 9. Mai 1940
    Im ersten Halbjahr 1930 war New York weit weg, die holländische Wirtschaft unbeeindruckt von den Turbulenzen dort an der Börse. Die Amsterdamer erfreuten sich an den ersten Tonfilmen, die vor allem aus Deutschland kamen – »Der Kuss« mit Greta Garbo, »Der Blaue Engel« mit Marlene Dietrich und Emil Jannings. Doch die Niederlande blieben keine Insel der Seligen inmitten einer weltweiten Wirtschaftskrise. Die Statistiken am Jahresende 1930 meldeten, dass in der Hauptstadt rund 21   000 Menschen arbeitslos waren. Und das ist erst der Anfang vom wirtschaftlichen Absturz, für den die Arbeitslosen-Zahl der sichtbarste Indikator ist. 1931 sind schon 35   000 Menschen in Amsterdam ohne Arbeit, zwanzig Prozent der arbeitenden Bevölkerung in der Hauptstadt.
    Die Krise beförderte den Wunsch der Amsterdamer, dem tristen Alltag zu entrinnen. Louis Davids gründete am Leidseplein ein eigenes Theater für Kabarett-Revuen. Im Theater Carré trat er 1931 vor stets ausverkauftem Haus in der Operette »Weißes Rössl« auf, auch Johan Heesters war wieder mit von der Partie. (Als Johannes Heesters ist er am 24. Dezember 2011 mit 108 Jahren in Starnberg gestorben.) Weil die Amsterdamer in ihrer Tanzwut nicht zu bremsen waren, erhöhte der Magistrat die Lokale mit Tanzerlaubnis von sieben auf neun. Doch pro Tanzpaar mussten vier Quadratmeter Fläche zur Verfügung stehen und in den Tanz-Lokalen war nur männliche Bedienung erlaubt.
    Zur 60. Geburtstagsfeier des Concertgebouw-Dirigenten Willem Mengelberg kamen 1931 die Comedian Harmonists aus Berlin, zum zweiten Mal innerhalb von zwei Jahren. Nicht allen gefiel es, dass Amsterdam für deutsche Künstler ein attraktives Arbeitsrevier war. »Ausländische Musiker genießen Vorrang«, titelte die Zeitschrift Het Leven und zeigte eine Fotomontage mit einem Café, in dem das »Attraktionsorchester F. Wirtz«, »Die Prater-Blume« und eine Wiener Damenkapelle auftraten, und ein Schild zum »Rheinischen Oktoberfest« wies. Dazu die Unterschrift »Nein, das ist nicht Berlin – sondern im Herzen der Amstelstadt …« Die Amsterdamer stimmten auf ihre Weise darüber ab, was sie von kultureller Abschottung hielten. Sie stürmten die Kasse vom Theater Carré, als im gleichen Jahr die Litfaßsäulen riefen: »Sie kommt!« Die 15   000 Karten für eine Woche Tournee waren sofort vergriffen. Es kam die berühmte Josephine Baker, aber diesmal nicht, um im Bananen-Röckchen zu tanzen. Die Baker sang französische Chansons, und die Amsterdamer waren hingerissen.
    Aus dem gleichen Jahr 1932 stammen Fotografien, auf denen endlose Reihen von Männern zu sehen sind: Arbeitslose, die zweimal täglich in Amsterdamer Amtsstuben erscheinen müssen, um ihren Stempel und anschließend ihre »Stütze« zu bekommen. Monne de Miranda versucht, trotz leerer städtischer Kassen mit seinem Wohnungsbau-Dezernat Arbeitsbeschaffungsprogramme aufzustellen. Er gewinnt eine Mehrheit im Gemeinderat, am südlichen Rand des neuen Viertels Amsterdam Zuid ein modernes »Frei- und Sonnenbad« anzulegen. Der Preis für die Zustimmung der Katholischen Partei: Zwar dürfen Männer und Frauen gemeinsam auf der Wiese Sonnenbäder nehmen, zum Schwimmen aber geht es in getrennte Becken. Im August 1932 eröffnet Monne de Miranda vor vielen hundert

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