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Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition)

Titel: Leben mit dem Feind: Amsterdam unter deutscher Besatzung 1940-1945 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Beuys
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Carré, eingeladen vom gleichgeschalteten Gewerkschaftsbund, der längst unter NSB -Führung stand. Am nächsten Tag folgte der traditionelle Umzug mit viel Musik durch Amsterdam, der mit einem festlichen Empfang für Sinterklaas im Concertgebouw endete.
    Es war der größte Tag für alle Amsterdamer. Am 7. Dezember schreibt Ellen Schwarzschild in ihr Tagebuch, dass es am Morgen ein gemeinsames Jugendkonzert für alle jüdischen Schulen Amsterdams gab: »Es war herrlich.« Und dann die Erinnerung an den Tag zuvor: »Gestern haben wir bei einem Mädchen zuhause Sinterklaas gefeiert. Wir haben erst gelost, wer wem etwas geben soll. Es war sehr schön und gemütlich. Wir haben beschlossen, das öfters zu machen.«
    Der größte Tag für Amsterdamer: auch unter der Besatzung kommt Sinterklaas
    Im Dezember erhielten die deutsch-jüdischen Emigranten in Amsterdam von der Zentralstelle für jüdische Auswanderung die Anweisung, einen Antrag auf »Emigration« zu stellen. Abliefern mussten sie die ausgefüllten Formulare bei Expositur, eine Abteilung des Jüdischen Rates. Sie war auf Befehl der Besatzer als Kontaktstelle zwischen Jüdischem Rat und ZjA gegründet worden, denn die ZjA wollte mit Amsterdams Juden direkt nichts zu tun haben.
    Die Dolmetscherin Mirjam Levie arbeitete beim Jüdischen Rat und war wegen ihrer deutschen Sprachkenntnisse zur Expositur versetzt worden. Ihrem Verlobten Leo Bolle in Palästina berichtet sie, dass die Emigranten in den Formularen ihren gesamten Besitz angeben mussten, »Geld, Kleider, Möbel, alles bis zur kleinsten Haarnadel sozusagen«. Die deutschen Juden dachten, »sie würden nach Polen geschickt, wie es auch in Deutschland geschehen war«. Weil Mirjam Levie im Sommer 1942 rückblickend über diese Geschichte schreibt, kann sie das Täuschungsmanöver aufdecken: »Wie sich jetzt zeigt, war diese Anmeldung gänzlich unbedeutend … Der Titel – Emigrationsanmeldung – war eine Farce, denn niemand durfte die Niederlande verlassen.« Ein Manöver der Besatzer unter anderen, bei ihren Opfern falsche Fährten zu legen, Verwirrung zu stiften.
    Wer von Amsterdams Juden für ein paar Stunden die Umstände, die ihn einschränkten, quälten und bedrohten, vergessen wollte, konnte neben den Aufführungen in der Joodse Schouwburg im Theater van de Lach weiterhin ein buntes, professionelles Programm bei den »Prominenten« genießen. Am 20. Dezember hatte die Revue »Alle aufs Rad« Premiere. Damit alle Mitglieder der Truppe mit ihren Talenten glänzen konnten, hatte Willy Rosen eine verwegene Mischung zusammengestellt: hebräische und jiddische Lieder neben Arien aus Meyerbeers »Hugenotten«, dazu wie immer Revue-Schlager. Der Erfolg war so groß, dass bald schon eine Verlängerung bis 16. Januar 1942 angekündigt wurde.
    Zu Weihnachten, vom 25. bis 28. Dezember, veranstalteten die deutsch-jüdischen »Prominenten« eine »Große Kinderrevue«. Am 25. war in der Joodse Schouwburg eine ganz besondere Premiere: Zum ersten Mal spielte das jüdische Unterhaltungsorchester; zwanzig Musiker, viele von ihnen Stars der niederländischen Orchester vergangener Zeiten. »Für mich sollte sich damit ein Traum erfüllen«, sagte der Dirigent des Orchesters Jahre später im Rückblick.
    Zum Jahresende 1941 wollten die Besatzer und ihre niederländischen Gesinnungsgenossen Eindruck auf die Amsterdamer machen. Mit einem großen Empfang wurden im Rathaus Mozart-Feiern eröffnet. Die niederländische NS -Organisation »Winterhulp« lud Dutzende von Amsterdamer Kindern zu einer Weihnachtsfeier ins Krasnapolsky-Hotel am Dam, wo die Amsterdamer traditionell am liebsten feierten. Fast konnte man darüber vergessen, dass die Deutschen die Nationalsozialistische Bewegung, NSB , am 13. Dezember zur einzigen erlaubten Partei in den Niederlanden erklärt hatten. Eine Überraschung war das nicht, und auch damit würde man sich arrangieren müssen.

VIII
    Alle Juden nach Amsterdam – Öfter mal ins Kino – Der Gelbe Stern – Raub aller Wertsachen – »Arbeitseinsatz« in Deutschland – Run auf die Sperre – Nach Westerbork: Züge ohne Wiederkehr – Mordquote übertroffen
    Januar bis Juli 1942
    Es kam der zweite Jahreswechsel in Kriegs- und Besatzungszeiten. »Wird es der letzte sein?«, fragte sich der Lehrer Hendrik Jan Smeding, als er am 5. Januar 1942 im väterlichen Grachtenhaus sein Tagebuch fortsetzte. »Ich zweifle, ob der Optimismus der Menschen gerechtfertigt ist.« Was den Optimismus vieler

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