Leben mit Hochsensibilitaet
besonders schnell. So schnell, dass man sich manchmal erstaunt fragt, wie das Kind bloß wissen konnte, wo man seine Schlüssel vergessen hat. Woher es wusste, dass es Streit zwischen den Eltern gegeben hat, oder wie es so schnell die Antwort auf seine Rechenaufgabe wissen konnte. Ein hochsensibles Kind fällt häufig auf, weil es Dinge gesehen und verstanden hat, die andere übersehen. Da zeigt sich die rasend schnelle Verarbeitung auf intuitivem Niveau. Hochsensible Kinder erscheinen oft naseweiß und besonders geistreich für ihr Lebensalter. Sie haben die Erklärung der Lehrerin unmittelbar verstanden. Sie haben Antennen für Metasprache und Körpersprache. Sie spüren haargenau, wenn andere doppeldeutige Botschaften aussenden.
Vielleicht wird deshalb Hochsensibilität häufig in einem Atemzug mit Hochbegabung genannt. Dein Kind hat natürlich in der Schule Vorteile durch diese rasante Informationsverarbeitung. Einem hochsensiblen Kind braucht man meistens die Dinge nicht zweimal zu erklären. Es begreift schon mit der halben Erklärung, oft ganz ohne Erklärung, was der Sinn einer Aufgabe ist. Sein Verständnis ist umfassend und schnell. Es bemerkt auch – bewusst und unbewusst – das Energiefeld seines Gegenübers. Dass der Lehrer Sorgen hat oder sich krank fühlt beispielsweise, oder dass ein anderes Kind zu Hause misshandelt wird. Das alles funktioniert aber nicht in einer hektischen, unruhigen, lärmenden Umgebung. Dann kann es gut sein, dass bei dem Kind nichts mehr hinein- oder herauskommt. Wie gesagt, die Gefahr der Überreizung besteht immer. In einer ruhigen, ausgeglichenen Umgebung, in der es sich sicher fühlt, kannein hochsensibles Kind seine wahren Talente entfalten. Sein Einfühlungsvermögen, seine Intelligenz, seine soziale Betroffenheit, seinen Eifer und seine Genauigkeit.
Hochsensibilität bedeutet für Erwachsene und Kinder im Prinzip dasselbe. Wenn du selbst hochsensibel bist und dieses Kapitel liest, wirst du wahrscheinlich viel wiedererkennen. Vielleicht kommen vergessene Erinnerungen wieder hoch – Schamgefühle, weil du geärgert wurdest oder weil du deine eigene Hochsensibilität nicht verstanden hast. Wenn du als Elternteil oder Lehrkraft dieses Kapitel liest, aber selbst nicht hochsensibel bist, wird es dich Mühe kosten, dich in die Erlebniswelt eines hochsensiblen Kindes zu versetzen. Um zu verhindern, dass du zu schnell deine Schlussfolgerungen ziehst, werden wir Schritt für Schritt einige wichtige Aspekte in Bezug auf die Entwicklung und Erziehung hochsensibler Kinder durchgehen.
Erziehung spielt eine große Rolle bei Hochsensibilität. Wer die vorangegangenen Kapitel gelesen hat, hat regelmäßig auf seine eigene Vergangenheit zurückgeblickt und vielleicht feststellen müssen, dass manche Erziehungsstrategien im Nachhinein nicht so glücklich waren. Wir wissen heute relativ sicher, dass Erziehung und genetische Anlage zu jeweils etwa 50 Prozent verantwortlich sind für die Entwicklung eines Kindes zum Erwachsenen. Das gilt für jedes Kind, doch bei einem hochsensiblen Kind müssen wir tatsächlich viel bewusster mit der Erziehung, die wir ihm geben, umgehen. Ein hochsensibles Kind zieht einen besonders großen Nutzen aus einer adäquaten, perfekt auf ihn ausgerichteten Erziehung.
Fachleute nehmen inzwischen an, dass Menschen entweder hochsensibel sind oder nicht. Es scheint kein Zwischenmaß zu geben. Es scheint nicht so zu sein, dass der eine ein wenig hochsensibel ist und der andere ein wenig mehr. Doch die Umgebung hat einen großen Einfluss – zur Hälfte etwa – auf die Art, in der sich die Hochsensibilität entwickelt und schließlich im Verhalten sichtbar wird. Hochsensibilität allein beschreibt einen Menschennoch nicht ausreichend. Was man von seinen Eltern gelernt hat, die Erfahrungen, die man in der Schule gemacht hat, und der Einfluss von Freunden und Freundinnen sind also genauso wichtig. Aufgrund dieser Erlebnisse kann sich ein hochsensibles Kind zu einem ängstlichen und unsicheren Menschen entwickeln. Oder zum genauen Gegenteil: wenn das hochsensible Kind weiß, dass es eigentlich nichts zu fürchten hat.
Hochsensible Kinder sind, wie gesagt, soziale Kinder. Sie sind stark auf die Interaktion zwischen sich und anderen ausgerichtet, auch wenn das im ersten Augenblick nicht sichtbar ist. Kommunikation und Einfühlung sind besondere Stärken der meisten dieser Kinder. Gleichzeitig sind sie in diesem Punkt sehr verletzlich. Wenn die Umgebung anders auf sie
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