Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben
Anthropologe Frans de Waal hervorhebt, handelt es sich dabei um Koalitionen der Starken, die sich organisieren, um den Rest der Gruppe zu beherrschen und zu kontrollieren. 13 Und auf genau dieselbe Weise waren menschliche Gemeinschaften jahrtausendelang organisiert.
Auf welcher Basis hat also die Novus Ordo Seclorum seine neue Lehre von Menschenwürde und Menschenrechten begründet? Eigentlich war diese Lehre gar nicht so neu; neu war lediglich ihre Durchsetzung. In historischen Berichten über Amerika und Großbritannien werden die Menschenrechte gewöhnlich auf den Philosophen John Locke zurückgeführt, aber Locke selbst hat viele Ideen zusammengefasst, die andere vor ihm entwickelt hatten. In Wirklichkeit reichen die westlichen Vorstellungen von Menschenwürde und Menschenrechten bis ins frühe 16. Jahrhundert zurück. Wenige Jahrzehnte nach der Entdeckung der Neuen Welt brachen in Spanien eine Reihe folgenschwerer Streitigkeiten aus, die nicht nur die intellektuelle Basis für Menschenrechte legten, sondern bei denen auch zum ersten Mal politisch anerkannt wurde, dass diese Rechte für alle menschlichen Wesen gelten sollten. Der Streit drehte sich um die Frage, ob die amerikanischen Ureinwohner Seelen hatten.
Das ist nun wirklich ein Thema, über das man debattieren kann. Heute würden Atheisten vermutlich sagen: »Natürlich hatten sie keine Seelen, und wir haben auch keine. « Wenn Sie die Anerkennung von Menschenwürde und Menschenrechten zu schätzen wissen, dann sollten Sie froh
sein, dass Atheisten mit einer solchen Einstellung im 16. Jahrhundert keinen Einfluss hatten. Der Grund für die Debatten in Spanien waren unterschiedliche Ansichten zwischen den Eroberern und den christlichen Missionaren. Fast unverzüglich nach der Gründung der ersten Kolonien auf den amerikanischen Kontinenten hatten die Eroberer und ihre Nachfolger damit begonnen, die Ureinwohner zu versklaven. Die Missionare protestierten bei der spanischen Krone und der römischen Kirche dagegen und erklärten, diese Versklavung sei unmoralisch und ungerecht. Die Gegenseite trug die üblichen Argumente vor: Die Ureinwohner sind nicht wie wir, sie sind keine Christen, sie sind nicht einmal zivilisiert. Juan Ginés de Sepúlveda, ein angesehener Vertreter der Lehren des Aristoteles, schlug sich auf die Seite der Sklavenhalter und erklärte beharrlich, die Ureinwohner seien, mit den Worten des Aristoteles, »von Natur aus Sklaven«.
Aber der Dominikaner Francisco de Vitoria, ein Theologe an der Universität von Salamanca, war anderer Meinung. Für ihn machte es keinen Unterschied, ob die Ureinwohner zivilisiert waren oder nicht. Ja, es spielte noch nicht einmal eine Rolle, dass sie keine Christen waren; denn Gott hatte alle Menschen, ob Christen oder nicht, nach seinem Ebenbild geschaffen. Da Gott unsterblich ist, haben Menschen unsterbliche Seelen, die unsere gottgleiche Natur widerspiegeln. Und da wir Gottes Schöpfung sind, hat nur Gott und kein Mensch ein letztgültiges Anrecht auf uns. Vitoria argumentierte, die Versklavung der amerikanischen Ureinwohner würde unsterbliche Seelen auf Werkzeuge zur Erlangung materieller Vorteile reduzieren. Ungeachtet ihrer Nützlichkeit und ungeachtet ihrer Vorteile für Spanien
und die spanische Krone müsse diese Praxis verboten werden, weil Gott damit beleidigt werde.
Papst Paul III. stimmte Vitoria zu und erklärte 1537 in der Bulle Sublimis Deus, dass »Indianer und andere Menschen, die vielleicht in Zukunft von Christen entdeckt werden, auf keinen Fall ihrer Freiheit oder ihres Eigentums beraubt werden dürfen, auch wenn sie nicht an Jesus Christus glauben«. Einige Jahre später stellte Kaiser Karl V. alle weiteren spanischen Expeditionen nach Amerika ein. Noch nie zuvor, schreibt der Historiker Lewis Hanke, hatte ein mächtiges Imperium »angeordnet, auf weitere Eroberungen zu verzichten, bis über deren Rechtmäßigkeit entschieden sein würde«. 14 Im Jahr 1550 veranstaltete der Kaiser im Kloster von Valladolid einen großen Disput über die moralische Rechtfertigung der spanischen Eroberungen. Sepúlveda sprach sich für die Kolonialinteressen aus und argumentierte, die Indianer seien seelenlose Barbaren, die in ihrem eigenen Interesse von den Spaniern regiert werden sollten. Auf der Gegenseite stand ein leidenschaftlicher Fürsprecher für die Ureinwohner, der spanische Mönch Bartolomé de Las Casas. Wie alle menschlichen Wesen, so trug er vor, hätten auch die Indianer unsterbliche
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