Leben nach dem Tod - warum es nicht irrational, sondern logisch ist, an das Jenseits zu glauben
Seelen, die ihnen eine besondere Würde verliehen. Er wies ebenso nachdrücklich auf die Gewalt hin, der die Indianer vorgeblich »in ihrem eigenen Interesse« ausgesetzt waren. Zwar stellte sich die spanische Krone auf die Seite von Las Casas und erließ eine Reihe von Gesetzen, um die Rechte der Indianer zu schützen, doch wurden diese Gesetze in den Kolonien weitgehend ignoriert, und die große Entfernung von Spanien machte ihre Durchsetzung fast unmöglich.
Gleichwohl stellt der Disput von Valladolid einen historischen
Meilenstein dar. Intellektuelle und politische Verfechter der Freiheit wie John Locke in England und die amerikanischen Gründerväter in Philadelphia haben sich auf diese Argumente bezogen, um eine dauerhafte Basis für Menschenwürde und Menschenrechte zu begründen. 15 Wir lernen aus dem Disput von Valladolid, dass es bedeutsam ist, ob wir andere Menschen als Seelen wahrnehmen, denen Unsterblichkeit verliehen ist, oder nicht: Solche Überzeugungen wirken sich darauf aus, wie wir sie im Hier und Jetzt behandeln.
Die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei liefert uns ein weiteres erstaunliches Beispiel für die diesseitigen Konsequenzen des Jenseitsglaubens. In meinem letzten Buch What’s So Great about Christianity habe ich gezeigt, dass die Sklaverei eine universelle Praxis war und nur die Kirche sich dagegen ausgesprochen hat. Der grundsätzliche Widerstand gegen die Sklaverei hat sich als eine ganz und gar christliche Idee entwickelt; und das ist der Grund, warum die einzigen Bewegungen zur Abschaffung der Sklaverei, die es in der Geschichte gab, von Christen organisiert wurden. Außerdem waren es nur christliche Nationen, die aus eigener freier Entscheidung die Sklaverei abgeschafft haben. Diese Nationen haben den Sklaven eine Freiheit gewährt, die sie sich aus eigener Kraft nicht sichern konnten. »Andere Revolutionen waren Aufstände der Unterdrückten«, schrieb Ralph Waldo Emerson. »Diese war die Umkehr der Tyrannen.« 16
Atheisten bestreiten natürlich die zentrale Rolle des Christentums, behaupten, der Glaube an ein Leben nach dem Tod habe die Institution der Sklaverei begünstigt und deren Abschaffung sei weitgehend eine säkulare Angelegenheit
gewesen. Michael Shermer weist beispielsweise ausdrücklich darauf hin, dass die Bibel keinen Einwand gegen die Sklaverei erhebt und sogar Passagen enthält, in denen Sklaven angewiesen werden, ihren Herren zu gehorchen. Andere Atheisten behaupten, diese biblische Billigung der Sklaverei müsse die Qualen der Sklaven zusätzlich verschlimmert haben, besonders in Amerika, wo die meisten von ihnen Christen waren. Außerdem hätten Christen jahrhundertelang Sklaven gehalten und sie durch das Versprechen eines besseren Lebens im Jenseits von Aufständen abgehalten. Sogar in der Zeit direkt vor dem amerikanischen Bürgerkrieg hätten Christen auf beiden Seiten gestanden und sich in den Südstaaten vehement für die Sklaverei eingesetzt, während sie sich in den Nordstaaten dagegen aussprachen. Atheisten weisen darauf hin, dass sich ein echter Widerstand gegen die Sklaverei in Europa und Amerika nicht vor dem 18. Jahrhundert entwickelte und genau mit der historischen Epoche zusammenfiel, die man als »Aufklärung« bezeichnet. Deshalb sei die Ablehnung der Sklaverei eher eine säkulare Idee der Aufklärung als eine christliche Vorstellung.
Was ist von dieser atheistischen Kritik zu halten? Die Aufforderung des Neuen Testaments, dass Sklaven ihren Herren gehorchen und Herren ihre Sklaven freundlich behandeln sollten, muss man im Kontext des christlichen Lebens im Römischen Reich verstehen. Der Apostel Paulus akzeptierte die Institution der Sklaverei aus demselben Grund, aus dem er das römische Steuersystem und die Regeln des römischen Militärdienstes billigte: Er hatte keine Wahl. In der Apostelgeschichte heißt es jedoch ganz klar, dass Christen ihre Glaubensgenossen nicht versklaven sollten. Jede
Sozialphilosophie ist daran zu messen, wie sie von ihren Anhängern interpretiert und umgesetzt wird. Führende Christen wie der Kirchenvater Gregor von Nyssa haben gepredigt, dass Christen keine Sklavenhalter sein sollten; und als diese Botschaft sich in Europa verbreitete, sind die Christen dem Aufruf gefolgt.
Vielfach wird angenommen, dass Christen die griechische und römische Praxis der Sklavenhaltung bis in die moderne Zeit fortgesetzt haben, aber das trifft nicht zu. Das Christentum kam im 4. Jahrhundert an die Macht, und die Sklaverei in
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