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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Schwachstellen im einheimischen Roman. Aber die leichte und herzliche Kommunikation mit dem Mann, der ein Schrecken meiner Kindheit gewesen war, schien mir so wundersam, dass ich es vorzog, mich seiner Begeisterung anzuschließen. Ich erzählte ihm von »La Jirafa«, meiner täglichen Kolumne in El Heraldo, und teilte ihm als Erstem mit, dass wir sehr bald eine Zeitschrift herausbringen würden, in die wir große Hoffnungen setzten. Sicherer geworden, erzählte ich ihm Näheres über das Projekt und nahm sogar den Namen vorweg: Crónica.
    Er musterte mich von oben bis unten.
    »Ich weiß nicht, wie du schreibst«, sagte er, »aber du sprichst schon wie ein Schriftsteller.«
    Meine Mutter beeilte sich, den Sachverhalt klarzustellen: Niemand habe etwas dagegen, dass ich Schriftsteller würde, vorausgesetzt ich schlüge eine akademische Laufbahn ein, die mir festen Boden unter den Füßen verschaffe. Der Doktor spielte das alles herunter und sprach von der Laufbahn eines Schriftstellers. Auch er habe das gerne werden wollen, aber mit eben den Argumenten hätten seine Eltern ihn gezwungen, Medizin zu studieren, nachdem ihr Versuch, ihn zum Militär zu bringen, fehlgeschlagen war.
    »Sehen Sie mich doch an, Gevatterin«, schloss er, »hier stehe ich, bin Arzt und weiß nicht, wie viele meiner Patienten durch Gottes Willen gestorben sind und wie viele durch meine Arzneien.«
    Meine Mutter wusste nicht weiter.
    »Das Schlimmste ist, dass er das Jurastudium aufgegeben hat, nachdem wir so viele Opfer gebracht haben, um ihn zu unterstützen.«
    Dem Doktor hingegen schien gerade das ein glänzender Beweis für eine brennende Berufung zu sein: die einzige Kraft, die der Liebe ihre Rechte streitig macht. Insbesondere die künstlerische Berufung, die rätselhafteste überhaupt, der man das ganze Leben hingibt, ohne etwas davon zu erwarten.
    »Das trägt man von Geburt an in sich, und dagegen anzukämpfen ist höchst ungesund«, sagte er.
    Und mit dem bezaubernden Lächeln eines unverbesserlichen Freimaurers setzte er noch einen drauf:
    »Selbst wenn es sich um die Berufung zum Priester handelt.«
    Ich war baff über die Art und Weise, wie er das erklärt hatte, was mir nie zu erklären gelungen war. Meiner Mutter schien es ebenso zu gehen, denn sie betrachtete mich in einem anhaltenden Schweigen und ergab sich dann ihrem Schicksal.
    »Wie kann man das alles bloß am besten deinem Vater sagen?«, fragte sie mich.
    »So, wie wir es eben gehört haben«, sagte ich.
    »Nein, so wird es nichts fruchten«, sagte sie. Und nach einer weiteren Denkpause schloss sie: »Aber mach dir keine Sorgen, ich werde schon die richtige Form finden, es ihm zu sagen.«
    Ich weiß nicht, ob sie es so oder anders gemacht hat, jedenfalls war die Debatte damit beendet. Die Uhr schlug mit zwei klingenden Glockenschlägen, zwei Glastropfen gleich, die Stunde. Meine Mutter fuhr zusammen: »Mein Gott, ich hatte ganz vergessen, weshalb wir hier sind.« Und stand auf:
    »Wir müssen gehen.«
    Der erste Anblick des Hauses auf der gegenüberliegenden Straßenseite entsprach kaum meinen Erinnerungen und ganz und gar nicht meiner Sehnsucht. Die beiden schützenden Mandelbäume, die über die Jahre ein eindeutiges Erkennungszeichen gewesen waren, hatte man mit Stumpf und Stiel entfernt, und das Haus lag preisgegeben da. Was sich da unter der brennenden Sonne darbot, hatte eine höchstens dreißig Meter lange Fassade: die eine Hälfte gemauert und mit einem Ziegeldach, das an ein Puppenhaus erinnerte, die andere Hälfte ein Holzbau aus rohen Brettern. Meine Mutter klopfte erst leise an die geschlossene Tür, dann lauter und fragte am Fenster:
    »Ist keiner da?«
    Die Tür öffnete sich leicht, und eine Frau fragte aus dem Halbdunkel:
    »Womit kann ich dienen?«
    Meine Mutter antwortete mit einer vielleicht unbewussten Autorität: »Ich bin Luisa Marquez.«
    Daraufhin öffnete sich die Tür ganz, und eine Frau in Trauerkleidung, knochig und bleich, sah uns aus einem anderen Leben an. Hinten in der Halle schaukelte ein Mann in einem Invalidensessel. Das waren die Mieter, die nach vielen Jahren angeboten hatten, das Haus zu kaufen, doch weder sahen die beiden wie Käufer aus, noch war das Haus in einem Zustand, der für irgendjemand interessant sein konnte. Dem Telegramm zufolge, das meine Mutter bekommen hatte, waren die Mieter bereit, die Hälfte des Kaufpreises gegen eine von ihr unterschriebene Quittung bar zu zahlen, der Rest würde im Laufe des Jahres bei

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