Leben, um davon zu erzählen
Unterzeichung der notariellen Verträge fällig werden, aber keiner erinnerte sich daran, dass ein Besuch vorgesehen war. Nach einem langen Gespräch zwischen Harthörigen wurde nur klar, dass es kein Einvernehmen gab. Erschöpft von dem Wahnwitz und der infamen Hitze, ließ meine Mutter, schweißgebadet, den Blick schweifen, und seufzend entfuhr ihr:
»Dieses arme Haus ist am Ende.«
»Schlimmer«, sagte der Mann. »Es ist nur deshalb nicht über uns zusammengebrochen, weil wir so viel für die Erhaltung ausgegeben haben.«
Sie hatten eine Liste mit fälligen Reparaturen, zusätzlich zu anderen, die schon von der Miete abgezogen worden waren, und das führte so weit, dass eigentlich wir ihnen Geld schuldeten. Meine Mutter, die immer nah am Wasser gebaut hatte, konnte auch von einer beängstigenden Standhaftigkeit sein, wenn es darum ging, sich in den Fallen des Lebens zu behaupten. Sie argumentierte gut, und ich mischte mich nicht ein, weil ich schon beim ersten Zusammenstoß begriffen hatte, dass die Mieter im Recht waren. In dem Telegramm hatte nichts Klares über den Zeitpunkt und die Modalitäten des Verkaufs gestanden, vielmehr sollten diese erst vereinbart werden. Die Situation war typisch für den Hang der Familie zu verwegenen Schlussfolgerungen. Ich konnte mir genau vorstellen, wie es zu der Entscheidung gekommen war, am Esstisch, sofort nach Ankunft des Telegramms. Außer mir gab es noch zehn Geschwister mit gleichen Rechten. Am Ende hatte meine Mutter ein paar Pesos hier, ein paar dort zusammengekratzt, ihren Schulmädchenkoffer gepackt, und so war sie aufgebrochen, mittellos, abgesehen von der Rückfahrkarte.
Meine Mutter und die Mieterin gingen alles noch einmal von vorne durch, und nach einer knappen halben Stunde war klar, dass es kein Geschäft geben würde. Neben anderen unüberwindlichen Hindernissen gab es noch eine vergessene Hypothek, de auf dem Haus lastete und erst sieben Jahre später aufgelöst wurde, bevor es endlich rechtskräftig verkauft wurde. Als die Mieterin dann noch einmal das immer gleiche Argument vorbringen wollte, machte meine Mutter in ihrer unanfechtbaren Art einen sauberen Schnitt.
»Das Haus wird nicht verkauft«, sagte sie. »Gehen wir einfach davon aus, dass wir hier geboren sind und auch alle hier sterben werden.«
Den restlichen Nachmittag über, bis zur Abfahrt des Zuges, sammelten wir wehmütig in dem leer stehenden Haus Erinnerungen. Es gehörte uns ganz, bewohnt war aber nur der vermietete Teil zur Straße hinaus, wo der Großvater seine Büros gehabt hatte. Der Rest, ein Gehäuse mit angefressenen Zwischenwänden und rostigen Zinkdächern, war den großen Eidechsen überlassen worden. Meine Mutter, die wie versteinert an der Schwelle stand, stieß einen endgültigen Ausruf aus:
»Das ist nicht das Haus!«
Aber sie sagte nicht, welches Haus, denn meine ganze Kindheit hindurch wurde es auf so unterschiedliche Weise beschrieben, dass es sich mindestens um drei Häuser handeln musste, deren Form und Bestimmung je nach Erzähler divergierten. Das ursprüngliche Haus war, wie ich meine Großmutter auf ihre abschätzige Art sagen hörte, eine Indiohütte. Das zweite von den Großeltern erbaute Haus war aus Lehm und Bambusgeflecht und hatte Palmenstrohdächer, eine großzügige, helle kleine Halle als Esszimmer, eine Terrasse mit Blumen in fröhlichen Farben, zwei Schlafräume, einen Patio mit einer gigantischen Kastanie, einen wohlbestellten Obst- und Gemüsegarten und ein Gehege, in dem Ziegen, Schweine und Hühner in friedlicher Gemeinschaft lebten. Nach der geläufigsten Version verbrannte dieses Haus zu Asche, weil ein Feuerwerkskörper bei den Feiern zum Unabhängigkeitstag an wer weiß welchem 20. Juli der vielen Kriegsjahre auf das Palmenstrohdach gefallen war. Übrig blieben nur die Zementböden und der Teil mit den zwei Räumen und einer Tür zur Straße, wo sich Papalelos Büros befanden, wenn er, wie so oft, im Dienst des Staates stand.
Auf die noch heißen Trümmer baute die Familie ihr endgültiges Heim. Ein lang gestrecktes Haus aus acht nebeneinander liegenden Räumen an einem überdachten Korridor, der, von einem Geländer mit Begonien begrenzt, den Frauen der Familie als Veranda diente, wo sie mit ihren Stickrahmen saßen und in der Abendkühle plauderten. Die Zimmer waren einfach und unterschieden sich kaum voneinander, aber ich erkannte mit einem Blick, dass jedes der zahllosen Details einen entscheidenden Augenblick meines Lebens barg. Der
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