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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Generals Francisco de Paula Santander, des Helden unserer Unabhängigkeit, zu sein, sie hätten jedoch gedacht, dass das der schlechte Scherz eines Betrunkenen gewesen wäre. Ihr Sohn habe nie jemandem etwas zu Leide getan, er habe sogar erreicht, dass Leute von einer gewissen Bedeutung ihm Empfehlungen schrieben, damit er eine Anstellung bekäme. Eines dieser Empfehlungsschreiben hatte er in seiner Brieftasche, als er Gaitán tötete. Sechs Monate zuvor hatte er eigenhändig einen Brief an Präsident Ospina Pérez geschrieben, in dem er wegen einer Anstellung um einen Termin bat.
    Die Mutter erklärte den Untersuchungsrichtern gegenüber, dass ihr Sohn mit seinem Problem auch bei Gaitán persönlich vorstellig geworden sei, dass ihm dieser jedoch keinerlei Hoffnung gemacht habe. Es war nicht bekannt, dass Juan Roa in seinem Leben je mit einer Waffe umgegangen wäre, doch er gebrauchte sie bei der Tat auf eine Art und Weise, die ganz und gar nicht an einen Neuling denken ließ. Der Revolver war ein 38er mit langem Lauf und in so schlechtem Zustand, dass es schon fast bewundernswert ist, dass kein Schuss danebenging.
    Einige Angestellte in dem Gebäude glaubten, Juan Roa am Vortag des Mordes im Stockwerk von Gaitáns Büros gesehen zu haben. Der Portier bestätigte zweifelsfrei, man habe ihn am Morgen des 9. April mit einem Unbekannten die Treppen hinaufsteigen und später im Aufzug herunterkommen sehen. Er meinte, beide hätten mehrere Stunden lang neben dem Eingang des Gebäudes gewartet, dass Roa jedoch allein an der Tür war, als Gaitán in sein Büro hochging.
    Gabriel Restrepo, ein Journalist von La Jornada - der Zeitung, die Gaitáns Kampagne unterstützte -, listete die Ausweispapiere auf, die Roa Sierra bei sich hatte, als er das Verbrechen beging. Sie ließen keinen Zweifel an seiner Identität und seiner sozialen Lage, gaben aber keinen Hinweis auf seine Absichten. In den Hosentaschen hatte er zweiundachtzig Centavos in unterschiedlichen Münzen, obwohl doch viele wichtige Dinge des täglichen Lebens nur fünf Centavos kosteten. In einer Innentasche des Jacketts steckte eine Brieftasche aus schwarzem Leder mit einem Pesoschein. Roa Sierra hatte auch eine Bescheinigung bei sich, die seine Rechtschaffenheit beglaubigte, ein Führungszeugnis von der Polizei, nach dem er nicht vorbestraft war, und eine Meldebescheinigung mit seinem Wohnort in einem Armenviertel: Galle Octava, Nummer 30-73. Sein Wehrpass eines Reservisten der zweiten Klasse, den er in derselben Tasche trug, wies ihn als Sohn von Rafael Roa und Encarnación Sierra aus, geboren vor einundzwanzig Jahren: am 4. November 1927.
    Alles schien in Ordnung zu sein, nur nicht, dass ein so einfacher Mann, der keine Vorstrafen hatte, derart viele Beweise für seine gute Führung bei sich trug. Mir blieb auf immer der Hauch eines Zweifels, den ich nicht habe überwinden können, allein wegen des elegant und teuer gekleideten Mannes, der die wutentbrannte Meute auf Roa gehetzt hatte und für immer in einem Luxusauto verschwunden war.
    Im Strudel der Tragödie und während der Leichnam des ermordeten Apostels einbalsamiert wurde, hatten sich die Mitglieder des Parteipräsidiums der Liberalen im Speisesaal der Clínica Central versammelt, um Notmaßnahmen zu beraten. Man wollte eiligst zum Präsidentenpalais vordringen, um auch ohne vereinbarte Audienz mit dem Staatschef zu besprechen, wie das Land vor der drohenden Katastrophe bewahrt werden könnte. Kurz vor neun Uhr abends hatte der Regen nachgelassen, und die ersten Abgesandten versuchten nun, sich mühselig einen Weg durch die vom Volksaufstand verwüsteten Straßen zu bahnen, auf denen zwischen den Trümmern die Toten lagen, die von den ziellosen Kugeln der auf Balkons und Dächern postierten Heckenschützen getroffen worden waren.
    In der Halle vor dem Büro des Präsidenten trafen die Abgesandten der Liberalen auf ein paar konservative Funktionäre und Politiker und auf die Gattin des Präsidenten, Dona Bertha Hernández de Ospina, die sich sehr beherrscht zeigte. Sie trug noch das Kostüm, in dem sie ihren Mann zur Ausstellung in Engativá begleitet hatte, und am Gürtel einen Dienstrevolver.
    Gegen Abend hatte der Präsident keine Verbindung mehr zu den kritischen Orten und versuchte, hinter verschlossenen Türen mit Militärs und Ministern die Lage im Lande einzuschätzen. Vom Besuch der liberalen Führer wurde er kurz vor zehn überrascht, und er wollte sie nicht alle gleichzeitig empfangen, sondern

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