Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
Vom Netzwerk:
Caesars Epilepsie oder den Mechanismus eines Vergasers bekommen kann. Ich habe sogar ein Handbuch über den perfekten Mord, falls eine meiner hilflosen Figuren einmal so etwas brauchen sollten. Für das Übrige haben meine Freunde gesorgt, die mich bei meiner Lektüre leiteten und mir die richtigen Bücher im richtigen Augenblick liehen und außerdem meine Manuskripte vor der Veröffentlichung einer schonungslosen Lektüre unterwarfen.
    Vorbilder wie diese Bücher gaben mir auch ein neues Bewusstsein meiner selbst, und das Projekt Crónica beflügelte mich geradezu. Die Moral der Mannschaft war so gut, dass wir es trotz scheinbar unüberwindlicher Hindernisse sogar zu einem eigenen Büro brachten, es lag im dritten Stock ohne Aufzug, inmitten des Marktgeschreis der Händlerinnen und der wild fahrenden Busse in der Galle San Blas, die von frühmorgens bis sieben Uhr abends ein einziger turbulenter Markt war. Wir passten kaum alle in das Büro. Es gab noch kein Telefon, und eine Klimaanlage war ein Traum, der uns mehr als das Wochenblatt gekostet hätte, doch Fuenmayor hatte bereits Zeit gefunden, den Raum mit seinen zerfledderten Lexika, seinen Zeitungsausschnitten in allen Sprachen und seinen berühmten Handbüchern seltener Berufe voll zu stopfen. Auf seinem Direktorenschreibtisch stand die historische Underwood, die er unter Lebensgefahr aus einer brennenden Botschaft gerettet hatte und die heute das Museo Romántico in Barranquilla ziert. Am zweiten und letzten Schreibtisch saß ich als frisch gebackener Chefredakteur vor einer bei El Heraldo ausgeliehenen Schreibmaschine. Es gab einen Zeichentisch für Alejandro Obregón, Orlando Guerra und Orlando Melo, drei berühmte Maler, die sich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte dazu verpflichtet hatten, die Beiträge gratis zu illustrieren, was sie auch taten, zunächst aus angeborener Großzügigkeit heraus und dann am Ende, weil wir keinen Centavo mehr hatten, nicht einmal für uns selbst. Meine Fotos machte Quique Scopell, der besonders häufig und engagiert für uns arbeitete.
    Neben der Redaktionsarbeit, die mir von meinem Titel her oblag, war ich auch zuständig für die Überwachung der Herstellung und hatte, trotz meiner Holzfällerorthografie, dem Fahnenkorrektor zur Hand zu gehen. Da ich weiterhin für den Heraldo »La Jirafa« schreiben musste, hatte ich für regelmäßige Beiträge in Crónica nicht viel Zeit. Sie reichte aber, in den toten Stunden vor Tagesanbruch an meinen Erzählungen zu schreiben.
    Alfonso, ein Spezialist aller Gattungen, setzte voll und ganz auf Kriminalgeschichten, für die er eine geradezu triebhafte Leidenschaft hatte. Er übersetzte sie oder wählte sie aus, und ich unterzog sie einem Prozess der formalen Vereinfachung, was mir später in meinem Beruf von Nutzen sein sollte. Ich musste Platz sparen und strich nicht nur unnütze Wörter, sondern auch überflüssige Episoden, bis ich die Geschichten auf das Wesentliche reduziert hatte, ohne ihnen ihre Überzeugungskraft zu nehmen. Das hieß, alles streichen, was bei einer drastischen Gattung, in der jedes Wort für die Gesamtstruktur geradestehen muss, zu viel sein konnte. Bei meinen Versuchen, die Technik des Geschichtenerzählens zu erkunden, waren dies höchst nützliche Übungen.
    Einige der besten Erzählungen von José Felix Fuenmayor retteten uns über mehrere Samstage hinweg, doch die Verbreitung von Crónica machte keine Fortschritte. Die ewige Rettungsplanke war aber die Haltung von Alfonso Fuenmayor, der nicht für seine unternehmerischen Fähigkeiten bekannt war, sich jedoch mit einer Zähigkeit in unser Unternehmen einbrachte, die seine Kräfte überstieg. Das aber suchte er mit seinem schrecklichen Sinn für Humor zu überspielen. Er machte alles, schrieb höchst scharfsichtige Leitartikel und völlig sinnlose Notizen, und zwar mit der gleichen Beharrlichkeit, mit der er Anzeigen, unvorstellbare Kredite und Exklusivbeiträge von schwierigen Mitarbeitern eintrieb. Das waren jedoch folgenlose Wunder. Wenn die Ausrufer mit ebenso vielen Exemplaren zurückkehrten, wie sie zum Verkauf mitgenommen hatten, versuchten wir die Zeitschrift persönlich in unseren Lieblingskneipen zu vertreiben, vom El Tercer Hombre bis zu den düsteren Schenken am Flusshafen, wo wir die geringen Einnahmen in äthylischer Währung kassieren mussten.
    Als auffallend pünktlicher Mitarbeiter stellte sich der Vates Osío heraus, der zweifellos auch am meisten gelesen wurde. Er war seit der ersten

Weitere Kostenlose Bücher