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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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bekritzelten Papierstreifen genau durch und verwahrte sie in der Schublade der Theke. Am nächsten Tag löste ich sie zur versprochenen Uhrzeit aus und war weiterhin so gewissenhaft mit meinen Zahlungen, dass Lácides die Mappe dann für bis zu drei Nächte als Pfand akzeptierte. Das wurde zu einer so festen Abmachung, dass ich ihm manchmal nur die Mappe auf die Theke legte, ihm eine Gute Nacht wünschte und mir den Schlüssel selbst vom Brett nahm, um zu meinem Zimmer hochzugehen.
    Germán passte immer auf, ob es mir an etwas mangelte, wusste sogar, wenn ich keinen Schlafplatz hatte, und steckte mir heimlich die anderthalb Pesos zu. Dank meiner guten Führung genoss ich bald das Vertrauen des Hotelpersonals, und schließlich liehen mir sogar die Hürchen ihre Seife zum Duschen. Auf der Kommandobrücke herrschte mit himmlischen Brüsten und einem Kürbisschädel Catilina die Große, Inhaberin und Herrin über das Leben. Ihr fest angestellter Beschäler, der Mulatte Jonás San Vicente, war ein Klassetrompeter gewesen, bis man ihm bei einem Überfall die Zähne ausschlug, um die Goldkronen zu rauben. Übel zugerichtet und ohne Mundstück zum Trompeten musste er den Beruf wechseln und hätte für seine Sechs-Zoll-Stange nichts Besseres finden können als das goldene Bett von Catilina der Großen. Auch sie hatte einen intimen Schatz, der ihr dazu verhelfen hatte, innerhalb von zwei Jahren von den elenden Frühschichten am Kai der Flussschiffe zu ihrem Thron einer Oberpriesterin aufzusteigen. Ich hatte das Glück zu erleben, mit welchem Einfallsreichtum und welch freigebiger Hand die beiden ihre Freunde glücklich machten. Sie begriffen jedoch nie, weshalb ich so oft nicht die anderthalb Pesos zum Schlafen zusammenbrachte, obwohl mich doch gewichtige Leute in Staatskarossen abholen kamen.
    Ein weiterer glücklicher Schritt vorwärts war, dass ich es in jenen Tagen zum einzigen Kopiloten von Mono Guerra brachte, einem Taxifahrer, der so blond war, dass er wie ein Albino aussah, und so intelligent und sympathisch, dass man ihn ohne Wahlkampagne zum Ehrenstadtrat ernannt hatte. Seine Nächte im Barrio Chino waren oft filmreif, weil er sie mit frechen Einfallen bereicherte und zuweilen den Wahnsinn auf die Spitze trieb. Er sagte mir Bescheid, wenn er eine ruhige Nacht hatte, und die verbrachten wir dann zusammen im leichtlebigen Barrio Chino, wo unsere Väter und die Väter ihrer Väter gelernt hatten, uns zu machen.
    Ich habe nie herausbekommen, warum ich bei einem so einfachen Leben plötzlich und unvorhersehbar in Unlust versank. Der Roman, an dem ich arbeitete - La casa -, erschien mir, sechs Monate nachdem ich ihn zu schreiben begonnen hatte, als geistlose Farce. Ich sprach mehr über das Buch, als dass ich daran schrieb, und das wenige Zusammenhängende,das ich vorzuweisen hatte, waren die Fragmente, die ich früher oder später in »La Jirafa« und in Cronica veröffentlichte, wenn mir kein anderes Thema einfiel. An den einsamen Wochenenden, wenn die anderen sich zu ihren Familien zurückzogen, blieb ich einsam und allein in der leeren Stadt zurück. Ich war absolut arm und scheu wie eine Wachtel, was ich durch einen schwer erträglichen Hochmut und brutale Offenheit wettzumachen suchte. Ich fühlte mich überall als fünftes Rad am Wagen, und einige Bekannte ließen mich so etwas auch spüren. Besonders kritisch war das in der Redaktion von El Heraldo, wo ich bis zu zehn Stunden hintereinander schrieb, eingenebelt von den billigen Zigaretten, die ich in ungelinderter Einsamkeit pausenlos rauchte. Gehetzt schrieb ich oft bis zum Morgengrauen die Druckpapierstreifen voll, die ich stets in meiner Ledermappe mit mir herumtrug.
    In einem der vielen unachtsamen Momente jener Tage vergaß ich sie in einem Taxi und buchte das ohne Bitterkeit als eine weitere Gemeinheit des Schicksals ab. Ich unternahm nichts, um die Mappe zurückzubekommen, doch Alfonso Fuenmayor, den meine Lässigkeit beunruhigte, schrieb eine Notiz, die er unter meiner Kolumne drucken ließ: »Am letzten Samstag ist eine Aktenmappe in einem Taxi vergessen worden. Angesichts der Tatsache, dass der Eigentümer dieser Mappe und der Autor dieser Kolumne ein und dieselbe Person sind, wären beide sehr dankbar, wenn der Finder sich mit einem von ihnen in Verbindung setzen würde. Die Mappe enthält keine Wertgegenstände, nur unveröffentlichte >Jirafas<.« Zwei Tage später gab jemand meine Kladden beim Portier von El Heraldo ab, ohne die Mappe, dafür aber mit

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