Leben, um davon zu erzählen
berichtete ihm in endlosen Briefen über das, was die Zensur unterschlug. Für Don Ramon gab es also zwei Crónicas, die Zeitschrift, die wir machten, und die andere, die Germán ihm am Wochenende zusammenstellte. Gierig waren wir aber vor allem auf Don Ramóns begeisterte oder strenge Kommentare zu unseren Artikeln.
Einer der vielen Gründen, mit denen man sich die Schwierigkeiten von Crónica und sogar die Unsicherheiten in der Gruppe zu erklären suchte, war, wie ich zufällig erfuhr, mein angeborenes Pech, das angeblich ansteckend wirkte. Als schlagender Beweis wurde meine Reportage über den uruguayischen Fußballspieler Berascochea angeführt, mit der wir Sport und Literatur in einer neuen Gattung hatten versöhnen wollen und die ein fulminanter Reinfall gewesen war. Als ich von meinem ruinösen Ruf erfuhr, war er unter den Gästen des Japy schon allgemein bekannt. Völlig demoralisiert sprach ich mit Germán Vargas darüber, der, wie auch der Rest der Gruppe, schon davon wusste.
»Immer mit der Ruhe, Meister«, sagte er völlig unbeirrt zu mir, »wenn man so wie Sie schreiben kann, zeugt das von einem Glück, das von nichts und niemandem unterzukriegen ist.«
Es gab nicht nur schlechte Nächte. Die vom 27. Juli 1950, die wir im Freudenhaus der Negra Eufemia verbrachten, hat in meinem Schriftstellerleben eine gewisse historische Bedeutung. Ich weiß nicht, aus welchem guten Grund die Herrin des Hauses einen epischen Sancocho-Eintopf mit viererlei Fleisch bestellt hatte, jedenfalls flatterten die von den wilden Gerüchen aufgestörten Rohrdommeln schrill kreischend um den offenen Herd. Ein Gast rastete aus, packte eine Rohrdommel am Hals und warf sie lebend in den brodelnden Topf. Das Tier konnte gerade noch mit einem letzten Flügelschlag einen panischen Klagelaut ausstoßen und versank dann in höllische Tiefen. Der barbarische Mörder versuchte einen zweiten Vogel zu packen, doch die allmächtige Negra Eufemia hatte sich schon von ihrem Thron erhoben.
»Aufhören, verdammt!«, schrie sie. »Die Rohrdommeln werden euch die Augen aushacken!«
Nur ich war bestürzt und brachte es als Einziger nicht über mich, den ketzerischen Sancocho zu probieren. Statt schlafen zu gehen, eilte ich in das Büro von Crónica und schrieb in einem Zug die Geschichte von drei Bordellbesuchern nieder, denen die Rohrdommeln die Augen ausgehackt hatten, was aber niemand glauben wollte. Die Geschichte, mit doppeltem Zeilenabstand getippt, war nur vier Seiten lang und wurde in der ersten Person Plural von einer namenlosen Stimme erzählt. Obwohl von durchsichtigem Realismus, ist es die rätselhafteste meiner Erzählungen, und sie brachte mich erneut auf einen Weg, den ich schon hatte verlassen wollen, weil ich darauf nicht weiterkam. Besessen von der Verzückung eines Hellsehers hatte ich am Freitag um vier Uhr morgens zu schreiben begonnen und war um acht Uhr damit fertig. Mit der unfehlbaren Komplizenschaft von Porfirio Mendoza, dem legendären Hersteller bei El Heraldo, veränderte ich das Layout der neuen Ausgabe von Crónica, die am nächsten Tag erscheinen sollte, und diktierte in Panik vor der Guillotine des Redaktionsschlusses Porfirio dann den endgültigen Titel, den ich schließlich für die Geschichte gefunden hatte, und er schrieb ihn direkt ins geschmolzene Blei: Die Nacht der Rohrdommeln.
Für mich war das nach neun Erzählungen, die noch am Rand des Metaphysischen angesiedelt waren, der Beginn einer neuen Epoche, zumal ich damals nicht mehr gewusst hatte, wie ich mit einer Gattung fortfahren sollte, die ich nicht in den Griff bekam. Jorge Zalamea übernahm die Geschichte drei Monate später in Crítica, seiner hervorragenden Zeitschrift für große Dichtung. Bevor ich diesen Absatz schrieb, habe ich Die Nacht der Rohrdommeln nach fünfzig Jahren wieder gelesen, und ich glaube, ich würde kein Komma daran ändern. Inmitten der Unordnung, in der ich ohne Kompass lebte, war dies der Vorbote eines neuen Frühlings.
Das Land hingegen geriet ins Trudeln. Laureano Gómez war aus New York zurückgekehrt, um sich zum Präsidentschaftskandidaten der Konservativen küren zu lassen. Die Liberalen übten angesichts der herrschenden violencia Stimmenthaltung, und Gómez wurde ohne Gegenkandidat am 7. August 1950 gewählt. Da das Parlament in Urlaub war, fand seine Vereidigung vor dem Höchsten Gerichtshof statt.
Aus Gesundheitsgründen war es ihm jedoch kaum möglich, als Regierungschef präsent zu sein, und er musste dann
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