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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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Nummer von Crónica einer der Zuverlässigsten und sein »Tagebuch einer Tippse«, unter dem Pseudonym Dolly Melo veröffentlicht, eroberte die Herzen der Leser. Es war kaum zu glauben, dass ein und derselbe Mann so viele unterschiedliche Aufgaben mit so viel Anstand bewältigen konnte.
    Bob Prieto hätte den Schiffbruch von Crónica mit irgendeinem medizinischen oder künstlerischen Fund aus dem Mittelalter abwenden können. Aber beim Arbeiten hielt er sich an eine klare Regel: ohne Geld keine Ware. Folglich gab es ihn, zu unserem tiefen Schmerz, bald nicht mehr.
    Von Julio Mario Santodomingo veröffentlichten wir insgesamt vier rätselhafte Geschichten, die auf Englisch geschrieben waren, von Alfonso, dem eifrigen Libellenjäger in den üppigen Wäldern seiner seltenen Wörterbücher, übersetzt und von Alejandro Obregon mit der Raffinesse eines großen Künstlers illustriert wurden. Doch Julio Mario war so oft und zu so entgegengesetzt liegenden Zielen unterwegs, dass er zum unsichtbaren Partner wurde. Nur Alfonso wusste, wo er zu finden war, und offenbarte es uns mit einer beunruhigenden Erklärung:
    »Jedes Mal, wenn ich ein Flugzeug vorbeifliegen sehe, denke ich, dass Julio Mario Santodomingo darin sitzt.«
    Ansonsten gab es nur gelegentliche Mitarbeiter, die uns in den letzten Minuten vor Redaktionsschluss - oder vor der Bezahlung -in Angst und Schrecken versetzten.
    Bogotá kam uns wie Gleichberechtigten entgegen, doch keiner unserer nützlichen Freunde machte irgendeine Anstrengung, um die Wochenzeitung über Wasser zu halten. Eine Ausnahme war Jorge Zalamea, der die Berührungspunkte zwischen seiner und unserer Zeitschrift erkannte und uns den Austausch von Material anbot, was sich als sinnvoll erwies. Ich glaube aber, dass niemand wirklich begriff, dass es bereits ein Wunder war, dass es Crónica überhaupt gab. Der Redaktionsrat bestand aus sechzehn Mitgliedern, die wir nach ihren jeweiligen Verdiensten ausgewählt hatten, alle waren sie Wesen aus Fleisch und Blut, jedoch so mächtig und beschäftigt, dass man auch an ihrer Existenz hätte zweifeln können.
    Crónica hatte für mich den Nebeneffekt, dass die Redaktionsarbeit mich dazu zwang, unvorhergesehene Leerräume in der Panik vor Redaktionsschluss mit improvisierten Erzählungen zu füllen. Während Setzer und Hersteller ihrer Arbeit nachgingen, setzte ich mich an die Maschine und dachte mir aus dem Nichts eine Geschichte in der Länge der Lücke aus. Auf diese Weise schrieb ich De cómo Natanael hace una, visita (Natanael macht einen Besuch), mit der ich ein dringendes Problem bei Tagesanbruch löste, und, fünf Wochen später, Augen eines blauen Hundes.
    Die erste dieser beiden Erzählungen war der Ursprung für eine ganze Folge mit der gleichen Figur, deren Namen ich ohne zu fragen von André Gide übernommen hatte. Später schrieb ich noch El final de Natanael (Natanaels Ende), um wieder einmal ein Drama in letzter Minute aufzuhalten. Beide gehörten zu einer Serie von sechs Erzählungen, von denen ich mich schmerzlos trennte, als mir klar wurde, dass sie nichts mit mir zu tun hatten. Zu denen, die mir halbwegs im Gedächtnis geblieben sind, gehört De cómo Natanael se viste de novia (Wie Natanael sich bräutlich kleidet), auch wenn ich mich nicht an den Handlungsfaden erinnern kann. Von heute aus gesehen scheint mir die Figur keine Ähnlichkeit mit irgendjemandem zu haben, den ich kannte, noch waren eigene oder fremde Erlebnisse in die Geschichte eingegangen, und ich kann mir angesichts des verdächtigen Themas auch gar nicht vorstellen, dass ich sie geschrieben habe. Natanael war also ein literarisches Wagnis ohne jede menschliche Bedeutung. Es ist gut, sich an solche Katastrophen zu erinnern, um vor Augen zu haben, dass man eine Figur nicht aus dem Nichts heraus erfinden kann, wie ich es mit Natanael versucht habe. Zum Glück reichte meine Vorstellungskraft nicht aus, um mich auf Dauer so weit von mir selbst zu entfernen. Und zu meinem Pech war ich auch noch davon überzeugt, dass die literarische Arbeit genauso gut bezahlt werden müsste wie die eines Maurers und dass, wenn wir die Setzer gut und pünktlich bezahlten, die Schriftsteller erst recht bezahlt werden mussten.
    Die beste Resonanz auf unsere Arbeit bei Crónica bekamen wir in den Briefen von Don Ramon an Germán Vargas. Don Ramon interessierte sich für die abwegigsten Nachrichten, für die Freunde und Ereignisse in Kolumbien, und Germán schickte ihm Zeitungsausschnitte und

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