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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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ernstes Gespräch mit Victor Cohen, und er nahm einen Schuldschein an, ich musste nur einen Bürgen präsentieren. Da Escalona und seine Clique nicht greifbar waren, sprang ein zufälliger Freund ein, nur weil ihm eine meiner Geschichten in Crvnica gefallen hatte und ohne jede Verpflichtung meinerseits. In der Stunde der Wahrheit konnte ich jedoch nicht zahlen.
    Der Schuldschein bekam Jahre später eine historische Bedeutung, als Victor Cohen ihn seinen Freunden zeigte, nicht als Dokument der Anklage, sondern als Trophäe. Das letzte Mal sah ich Cohen, als er fast hundert war und dabei schlank, groß und hellwach und noch immer voller Humor. Bei der Taufe eines Sohnes meiner Gevatterin Consuelo Araujonoguera, dessen Pate ich wurde, sah ich fast fünfzig Jahre später den unausgelösten Schuldschein wieder. Victor Cohen zeigte ihn jedem, der ihn sehen wollte, und tat das mit dem alten taktvollen Charme. Ich staunte darüber, wie sauber das von ihm aufgesetzte Dokument war und welch enormen Willen zu zahlen meine großspurige Unterschrift verriet. An jenem Abend feierte Victor das Ganze, indem er mit kolonialer Eleganz einen Paseo vallenato tanzte, wie er seit den Jahren von Francisco el Hombre nicht mehr getanzt worden war. Am Ende dankten mir viele Freunde dafür, dass ich den Schuldschein, der jene unbezahlbare Nacht möglich gemacht hatte, nicht rechtzeitig gezahlt hatte.
    Die magische Verführungskraft des Doktor Villegas hätte noch mehr möglich gemacht, nur nicht bei Büchern. Unmöglich zu vergessen, mit welch herrschaftlicher Kunst er die Gläubiger ins Leere laufen ließ und wie glücklich sie seine Gründe, warum er nicht rechtzeitig zahlte, hinnahmen. Besonders verlockend konnte er damals über den Roman Se han cerrado los caminos - Die Wege sind versperrt - von Olga Salcedo de Medina, einer Schriftstellerin aus Barranquilla, sprechen, die mit ihrem Buch für eine noch nie da gewesene Aufregung in der Region gesorgt hatte, allerdings eher aus gesellschaftlichen denn aus literarischen Gründen. Angeregt von dem Erfolg von El derecho de nacer, dessen Ausstrahlung ich den ganzen Monat über mit wachsender Aufmerksamkeit verfolgt hatte, war ich zu der Ansicht gelangt, dass es sich hier um ein populäres Phänomen handelte, das wir Schriftsteller nicht einfach ignorieren konnten. Ohne meine Schulden auch nur zu erwähnen, erzählte ich Villegas nach meiner Rückkehr aus Valledupar davon, und ohne lang nachzudenken, schlug er mir vor, ich solle eine Adaption von Olga Salcedos Roman schreiben, und zwar mit genug Raffinesse, um die breite Zuhörerschaft, die bereits von Felix B. Caignets Hördrama gefesselt war, zu verdreifachen.
    Ich schloss mich zwei Wochen ein und arbeitete eine Hörspielfassung aus, und das war für mich sehr viel lehrreicher als vorausgesehen, da es um die Länge von Dialogen, um verschiedene Intensitätsgrade und flüchtige Strukturen und Zeiten ging, die nichts mit dem zu tun hatten, was ich bisher geschrieben hatte. Bei meiner mangelnden Erfahrung mit dem Dialog - der noch immer nicht meine Stärke ist - war es eine wertvolle Übung, und ich war für das, was ich dabei lernte, noch dankbarer als für das, was ich damit verdiente. Doch auch darüber konnte ich nicht klagen, da Villegas mir die Hälfte im Voraus auszahlte und sich verpflichtete, mit den ersten Einkünften aus dem Radioroman meine noch anstehenden Schulden zu begleichen.
    Die Hörfassung wurde beim Sender Atlántico in der bestmöglichen regionalen Besetzung aufgenommen. Regie führte Villegas selbst, dem es sowohl an Erfahrung als auch an Inspiration fehlte. Als Erzähler war ihm Germán Vargas empfohlen worden, ein Sprecher, dessen Nüchternheit einen Kontrast zu den schrillen Tönen im lokalen Rundfunk darstellte. Die erste große Überraschung war, dass Germán sich darauf einließ, die zweite, dass er nach der ersten Probe von sich aus zu dem Schluss kam, dass er ungeeignet war. Daraufhin übernahm Villegas selbst mit andinem Singsang und Zischeln den schweren Part des Erzählers, was jenes wagemutige Abenteuer vollends ungenießbar machte.
    Der Radioroman wurde komplett gesendet, es gab dabei mehr Tiefen als Höhen, und für mich war es ein Lehrstück, was meine unersättlichen Ansprüche als Erzähler jeglicher Gattung anbelangte. Ich war bei der Inszenierung dabei. Sie wurde live auf die jungfräuliche Platte mittels einer Nadel übertragen, die beim Pflügen Flocken schwarz leuchtender Flusen hinterließ, kaum zu

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