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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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und starker Mann, besonders findig im Umgang mit den übelsten Widrigkeiten des wirklichen Lebens, ein unmäßiger Trinker teurer Whiskys, ein Salonfabulierer und Causeur, dem man nicht entkam. In der Nacht unseres ersten Treffens verließ ich vom Alkohol wankend die Präsidentensuite des Hotel del Prado, in der Hand einen Vertreterkoffer, der mit Prospekten und Musterexemplaren von Lexika sowie von medizinischen, juristischen und technischen Fachbüchern des Verlags González Porto voll gestopft war. Nach dem zweiten Whisky hatte ich das Angebot angenommen, als Handlungsreisender in der Provinz Padilla von Valledupar bis nach La Guajira Bücher auf Raten zu verkaufen. Mein Gewinn war die Baranzahlung von zwanzig Prozent, von der ich nach Abzug meiner Unkosten inklusive Hotel sorgenfrei leben konnte.
    Das ist die Reise, aus der ich durch meine unverbesserliche Schwäche, nicht beizeiten meine Adjektive zu zügeln, selbst eine Legende gemacht habe. Die Legende besagt, dass die Reise als mythische Expedition geplant war, als Suche nach den eigenen Wurzeln im Land meiner Vorfahren, und zwar auf der romantischen Route, die meine Mutter mit der ihren zurückgelegt hatte, als diese sie vor dem Telegrafisten von Aracataca in Sicherheit bringen wollte. Die Wahrheit ist, dass ich gar keine richtige Reise gemacht habe, nur zwei kurze, unbesonnene Ausflüge.
    Bei der zweiten Fahrt besuchte ich lediglich erneut Orte in der Umgebung von Valledupar. Ich hatte natürlich vor, von dort aus weiter auf der Route meiner verliebten Mutter bis zum Cabo de la Vela zu fahren, kam aber bloß bis Manaure de la Sierra, La Paz und Villanueva, wenige Meilen von Valledupar entfernt. Ich lernte damals weder San Juan del César noch Barrancas am Rio Ranchería kennen, wo meine Großeltern geheiratet hatten, meine Mutter geboren worden war und Oberst Nicolás Márquez später Medardo Pacheco getötet hatte. Und ich kam auch nicht nach Riohacha, zu den Ursprüngen meiner Sippe. Dort war ich zum ersten Mal 1984, als Präsident Belisario Betancourt eine Gruppe von Freunden zur Einweihung der Steinkohleminen von Cerrejon einlud. Das war die erste Reise in die Guajira meiner Phantasie, und diese Region erschien mir so mythenbeladen wie ich sie, ohne sie zu kennen, oft beschrieben hatte, das hing aber, glaube ich, nicht mit meinen falschen Erinnerungen zusammen, sondern mit dem Gedächtnis der Indios, die mein Großvater für je hundert Pesos für das Haus in Aracataca gekauft hatte. Meine größte Überraschung war daher der erste Blick auf Riohacha, jene Stadt aus Sand und Salz, wo unser Geschlecht mit den Ururgroßeltern seinen Anfang genommen hatte, wo meine Großmutter sah, wie die Heilige Jungfrau von der immer währenden Hilfe mit einem eisigen Hauch das Herdfeuer löschte, als das Brot fast verbrannt wäre, wo mein Großvater seine Kriege führte und wegen eines Ehrendelikts ins Gefängnis kam und wo ich in den Flitterwochen meiner Eltern gezeugt wurde.
    In Valledupar brauchte ich nicht viel Zeit, um die Bücher zu verkaufen. Ich wohnte im Hotel Wellcome, einem prachtvoll erhaltenen Kolonialgebäude an der großen Plaza, das im Patio eine lange Palmenlaube mit rustikalen Bartischen und Hängematten an den Pfosten hatte. Victor Cohen, der Besitzer, wachte wie ein Zerberus über die Ordnung und den moralischen Ruf des Hauses, der von den zügellosen Fremdlingen bedroht wurde. Cohen war auch ein Sprachpurist, der Cervantes mit kastilischem Lispeln auswendig deklamierte und den unmoralischen Lebenswandel von García Lorca anprangerte. Ich kam gut mit Cohen aus, weil er Andres Bello beherrschte und die kolumbianischen Romantiker fehlerlos deklamierte, und kam schlecht mit ihm aus, weil er so obsessiv darauf achtete, dass die Regeln der Moral in seinem anständigen Hotel nicht übertreten wurden. Zunächst war jedoch alles einfach gewesen, weil er ein alter Freund meines Onkels Juan de Dios war und sich gerne an ihn erinnerte.
    Für mich war diese Überdachung im Patio wie ein Lotteriegewinn, weil ich die vielen heißen Mittagsstunden lesend in der Hängematte verbrachte. In Zeiten der Dürre las ich von chirurgischen Fachbüchern bis zu den Handbüchern für Buchführung alles, ohne auf den Gedanken zu kommen, dass mir dies einmal bei meinen schriftstellerischen Abenteuern von Nutzen sein würde. Die Arbeit ging fast spontan vonstatten, weil die Mehrzahl der Kunden in den Netzen der Iguarän und der Cotes hängen blieben, und mir reichte für den

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