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Leben, um davon zu erzählen

Leben, um davon zu erzählen

Titel: Leben, um davon zu erzählen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel García Márquez
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mich nach dem 9. April aus Bogotá herausgebracht hatte, das letzte meines Lebens gewesen war. Im Übrigen hatten mir die wenigen Nebeneinnahmen aus dem Radioroman und die aufwendige Veröffentlichung der ersten Folge von La Sierpe in Ldmpara ein paar Werbetexte eingebracht, die es mir möglich machten, der Familie in Cartagena ein Rettungsboot zu schicken. Also widerstand ich wieder einmal der Versuchung, nach Bogotá zu ziehen.
    Álvaro Cepeda, Germán und Alfonso und die meisten Gefährten im Japy und im Café Roma reagierten positiv, als das erste Kapitel von La Sierpe in Lámpara erschien. Sie waren sich darüber einig, dass die Unmittelbarkeit der Reportage der geeignete Ansatz für ein Thema war, das gefährlich nah an der Grenze zum Unglaubwürdigen lag. Auf seine halb scherzhafte, halb ernste Art sagte mir Alfonso etwas, das ich nie vergessen habe: »Die Glaubwürdigkeit einer Sache, mein lieber Maestro, hängt eben sehr davon ab, was für ein Gesicht man beim Erzählen aufsetzt.« Fast hätte ich ihnen von Álvaro Mutis' Arbeitsangebot erzählt, traute mich aber dann doch nicht, und heute weiß ich, ich hatte einfach Angst davor, dass sie es gebilligt hätten. Mutis drängte mich noch mehrmals, auch dann noch, nachdem ich einen gebuchten Flug in letzter Minute abgesagt hatte. Er gab mir sein Wort, dass er nicht hinter meinem Rücken irgendeine Abmachung mit El Espectador oder sonst einer Zeitung oder Radiostation anstrebe. Ihn bewege nur der Wunsch - insistierte er bis zum Schluss -, mit mir über eine Reihe von festen Aufträgen für die Zeitschrift zu reden und einige technische Details über die vollständige La-Sierpe-Serie zu besprechen, deren zweite Folge in der nächsten Nummer von Lámpara erscheinen sollte. Álvaro Mutis war überzeugt, dass eine Reportage dieser Art dem flachen costumbrismo einen empfindlichen Stoß auf eigenem Terrain versetzen würde. Von allen Gründen, die er bis dahin vorgebracht hatte, war dies der einzige, über den ich ins Grübeln geriet.
    An einem düsteren, regnerischen Dienstag fiel mir auf, dass ich, selbst wenn ich es gewollt hätte, nicht fahren konnte, weil ich nichts anderes zum Anziehen hatte als meine Variete-Hemden. Um sechs Uhr abends war keiner in der Librería Mundo, und ich hatte schon einen Kloß im Hals, wenn ich mir nur den tristen Abend vorstellte, der mich erwartete. Auf der anderen Straßenseite gab es ein Schaufenster mit eleganter Kleidung, das ich noch nie gesehen hatte, obwohl es schon immer da gewesen war, und ohne weiter darüber nachzudenken, überquerte ich im aschigen Nieselregen die Galle San Blas und betrat mit festem Schritt das teuerste Geschäft der Stadt. Ich kaufte einen klerikalen Anzug aus mitternachtsblauem Tuch, der ganz dem damaligen Geist Bogotás entsprach, zwei weiße Hemden mit steifem Kragen, eine diagonal gestreifte Krawatte und ein Paar Schuhe, wie sie der Schauspieler José Mojica in Mode gebracht hatte, bevor er sich in einen Heiligen verwandelte. Ich erzählte nur Germán, Álvaro und Alfonso von der Reise, und sie meinten, es sei eine vernünftige Entscheidung, vorausgesetzt, ich käme nicht als Cachaco zurück.
    Wir feierten diesen Entschluss mit der ganzen Gruppe bis zum Morgengrauen im Tercer Hombre, es war eine Art vorgezogene Geburtstagsfeier, da, wie Germán Vargas, der Wächter des Heiligenkalenders, kundtat, ich am 6. März 1954 siebenundzwanzig Jahre alt werden würde. Inmitten der guten Wünsche meiner großartigen Freunde fühlte ich mich imstande, die noch fehlenden dreiundsiebzig Jahre bis zu meinem hundertsten Geburtstag roh zu verspeisen.

8
    Guillermo cano, der Direktor von El Espectador, rief mich an, als er erfuhr, dass ich bei Álvaro Mutis im Büro war, das vier Stockwerke über dem seinen in einem gerade erst bezogenen Gebäude lag, fünf Straßen vom ehemaligen Sitz der Zeitung entfernt. Ich war am Vortag in Bogotá eingetroffen und wollte gerade mit Freunden von Álvaro Mutis essen gehen, doch Guillermo bestand darauf, dass ich davor noch kurz bei ihm vorbeikam. Das tat ich dann auch. Nach innigen Umarmungen, wie sie in der Hauptstadt des gewählten Sprechens zum Stil gehörten, und ein paar Bemerkungen zum Tagesgeschehen nahm er mich beiseite. »Hören Sie mal, Gabriel«, sagte er mit unverdächtiger Harmlosigkeit, »könnten Sie mir nicht vielleicht einen Riesengefallen tun? Mir fehlt da noch ein kleiner Kommentar, den ich vor Redaktionsschluss brauche.« Mit Daumen und Zeigefinger zeigte er die

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