Leben, um davon zu erzählen
ich mir als professioneller Schriftsteller angewöhnt habe. Ich tippte nur mit den Zeigefingern - wie ich es immer noch tue -, schliff und zerlegte aber nicht jeden einzelnen Absatz, bis ich zufrieden war -wie jetzt -, sondern schrieb alles roh herunter, was ich in mir trug. Ich denke, das System war durch die Maße des Papiers vorgegeben, Streifen, die von den Druckrollen abgeschnitten wurden und bis zu fünf Meter lang sein konnten. Das Resultat waren Originale, lang und schmal wie Papyrusrollen, die sich Kaskaden gleich aus der Schreibmaschine ergossen und auf dem Boden ausbreiteten, während man schrieb. Der Chefredakteur bestellte die Artikel nicht nach Seiten, Wörtern oder Anschlägen, sondern nach Zentimetern. »Eine Reportage von anderthalb Metern«, hieß es. Ich habe, schon in reifem Alter, wehmütig an dieses Format zurückgedacht, bis mir auffiel, dass es in der Praxis dem Bildschirm eines Computers entsprach.
Der Schwung, mit dem ich den Roman begann, war so mitreißend, dass ich das Zeitempfinden verlor. Um zehn Uhr morgens, ich hatte schon über einen Meter geschrieben, stieß Alfonso Fuenmayor plötzlich die Haupttür auf und blieb, den Schlüssel noch im Schloss, wie angewurzelt stehen, als habe er die Tür der Redaktion mit der von der Toilette verwechselt. Bis er mich erkannte.
»Was zum Teufel machen Sie denn zu dieser Uhrzeit hier?«, rief er überrascht.
»Ich schreibe den Roman meines Lebens«, sagte ich.
»Noch einen?«, fragte Alfonso mit seinem grausamen Witz. »Sie müssen mehr Leben als eine Katze haben.«
»Es ist derselbe, aber anders«, sagte ich, um mich nicht mit unnützen Erklärungen aufzuhalten.
Wir duzten uns nicht, was der seltsamen kolumbianischen Sitte entsprach, sich schon bei der ersten Begrüßung zu duzen und erst zum Sie überzugehen, wenn man eine größere Vertrautheit erreicht hat - was auch unter Ehegatten üblich ist.
Er zog Bücher und Papiere aus der abgestoßenen Aktentasche und legte sie auf den Schreibtisch. Derweil ließ er sich mit seiner nimmersatten Neugier von der seelischen Erschütterung erzählen, die ich ihm mit meinem frenetischen Reisebericht zu vermitteln suchte. Am Ende, bei der Zusammenfassung, konnte ich nicht meinen unglücklichen Hang bremsen, das, was ich nicht erklären kann, in einen endgültigen Satz zu pressen.
»Das ist das Größte, was mir in meinem Leben widerfahren ist«, sagte ich.
»Zum Glück wird es nicht das Letzte sein«, sagte Alfonso.
Das kam ohne große Überlegung, denn auch er war nicht fähig, einen Gedanken anzunehmen, bis er ihn nicht auf das rechte Maß zurechtgestutzt hatte. Dennoch, ich kannte ihn gut genug, um zu merken, dass ihn meine Erschütterung über diese Reise wohl nicht so sehr berührte, wie ich erwartet hatte, dass er aber immerhin neugierig geworden war. So war es: Vom nächsten Tag an stellte er mir allerhand beiläufige, aber kluge Fragen zu meinem Schreiben, und schon sein Mienenspiel ließ mich erwägen, ob nicht etwas korrigiert werden musste.
Während wir uns unterhielten, hatte ich meine Papiere eingesammelt, um für Alfonso den Schreibtisch freizuräumen, da er an diesem Morgen das erste Editorial für Cronica schreiben musste. Doch die Nachricht, die er mitbrachte, verschönerte mir den Tag: Die erste Nummer, die in der kommenden Woche erscheinen sollte, musste ein fünftes Mal wegen unzureichender Papierlieferung verschoben werden. Wenn wir Glück haben, meinte Alfonso, kommen wir in drei Wochen raus.
Ich hielt diese Frist für ein Geschenk des Schicksals, da sie mir erlauben würde, den Anfang des Buches unter Dach und Fach zu bringen; ich war noch zu grün, um mir darüber im Klaren zu sein, dass Romane nicht so beginnen, wie man will, sondern so, wie sie wollen. Sechs Monate später, als ich mich schon in der Zielgeraden wähnte, musste ich die ersten zehn Seiten gründlich überarbeiten, damit sie für den Leser glaubhaft wurden, und noch heute erscheinen sie mir nicht ganz stimmig. Die Frist muss auch für Alfonso eine Erleichterung gewesen sein, da er, statt zu klagen, die Jacke auszog und sich an den Schreibtisch setzte, um die neueste Auflage des Wörterbuchs der Königlichen Akademie Spaniens, das wir in diesen Tagen erhalten hatten, zu verbessern. Das war seine liebste Freizeitbeschäftigung, seitdem er in einem englischen Wörterbuch zufällig einen Fehler gefunden und die Korrektur mit Belegen an den Londoner Verlag geschickt hatte, wohl mit der einzigen Kompensation, in
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