Leben, um davon zu erzählen
widersprechen wagte, als ich sagte, ich wolle statt Akkordeon, das die Großmutter ablehnte, Klavier spielen lernen.
Am selben Abend noch brachte sie mich zu den Fräulein Echeverri, die es mir beibringen sollten. Während sie sich unterhielten, schaute ich vom anderen Ende des Salons demütig wie ein herrenloser Hund auf das Klavier, überlegte mir, ob ich mit den Füßen an die Pedale kommen würde, fragte mich voller Zweifel, ob mein Daumen und mein kleiner Finger die weiten Intervalle überbrücken könnten und ob ich es schaffen würde, die Hieroglyphen des Pentagramms zu entziffern. Zwei Stunden lang war es ein Besuch der schönen Hoffnungen. Doch ein vergeblicher, da die Lehrerinnen uns sagten, das Klavier funktioniere nicht und sie wüssten nicht, wann es repariert würde. Der Plan wurde verschoben, bis der Klavierstimmer wieder nach Cataca kam, aber es wurde dann nicht mehr davon gesprochen, erst ein halbes Leben später, als ich meine Mutter bei einem beiläufigen Gespräch an den Schmerz erinnerte, den mir das fehlende Klavier bereitet hatte. Sie seufzte:
»Das Schlimmste daran ist«, sagte sie, »dass es gar nicht kaputt war.«
Da erfuhr ich, dass sie mit den Lehrerinnen die Ausrede abgesprochen hatte, das Klavier sei kaputt, um mir die Martern zu ersparen, die sie fünf Jahre lang bei den einfältigen Klavierübungen im Colegio de la Presentación durchlitten hatte. Trost bot damals die Eröffnung der Montessori-Schule in Cataca, deren Lehrerinnen die fünf Sinne durch praktische Übungen stimulierten und uns Singen lehrten. Dank des Talents und der Schönheit der Direktorin Rosa Elena Fergusson war das Lernen ebenso wunderbar wie das Spiel, lebendig zu sein. Ich lernte den Geruchssinn schätzen, dessen Fähigkeit zu nostalgischen Beschwörungen ungeheuerlich ist. Den Geschmackssinn, den ich auf eine Weise schärfte, dass ich bei Getränken die Nuance Fenster und bei altem Brot die Prise Koffer herausschmeckte sowie Tees schätzte, die nach Messe mundeten. Es ist schwer, solche subjektiven Genüsse von der Theorie her zu begreifen, aber wer so etwas selbst erlebt hat, wird es sofort verstehen.
Es gibt, glaube ich, keine bessere Methode als die Montessoris, um Kinder für die Schönheiten der Welt zu sensibilisieren und ihre Neugier auf die Geheimnisse des Lebens zu wecken. Man hat Montessori vorgeworfen, dass sie den Sinn für Ungebundenheit und den Individualismus fördere - und vielleicht war das bei mir der Fall. Dafür habe ich nie gelernt, zu dividieren, Wurzeln zu ziehen und mit abstrakten Ideen umzugehen. Wir waren damals noch so klein, dass ich mich nur an zwei Mitschüler erinnern kann. Eine davon war Juanita Mendoza, die siebenjährig an Typhus starb, kurz nach Einweihung der Schule, und ihr Tod hat mich so beeindruckt, dass ich nie vergessen habe, wie sie mit bräutlichem Kranz und Schleier im Sarg lag. Der andere Mitschüler war Guillermo Valencia Abdala, seit der ersten Schulpause mein Freund und ein unfehlbarer Arzt für den Kater am Montag.
Meine Schwester Margot muss sehr unglücklich an dieser Schule gewesen sein, auch wenn ich mich nicht daran erinnere, dass sie es je ausgesprochen hat. Sie setzte sich auf ihr Stühl-chen in der Grundschulklasse und schwieg die ganze Zeit - selbst während der Pausen -, blickte starr auf einen unbestimmten Punkt, bis die Glocke zum Schulschluss läutete. Ich erfuhr nicht beizeiten, dass Margot, wenn sie allein im leeren Unterrichtsraum zurückblieb, Erde aus dem heimischen Garten kaute, die sie in ihrer Schürzentasche versteckt hatte.
Es fiel mir schwer, lesen zu lernen. Ich fand es nicht logisch, dass der Buchstabe M em hieß, aber mit dem folgenden Vokal nicht ema, sondern ma ausgesprochen wurde. Es war mir nicht möglich, so zu lesen. Endlich, als ich an die Montessori-Schule kam, brachte mir die Lehrerin statt der Namen die Laute der Buchstaben bei. Nun konnte ich das erste Buch lesen, das ich in einer staubigen Truhe in der Rumpelkammer des Hauses gefunden hatte. Es war zerfleddert und unvollständig, fesselte mich aber so sehr, dass Saras Verlobter im Vorbeigehen eine erschreckende Prophezeiung von sich gab: »Donnerwetter! Dieser Junge wird mal Schriftsteller.«
Da er, der vom Schreiben lebte, es sagte, hat es mich sehr beeindruckt. Es vergingen mehrere Jahre, bevor ich erfuhr, dass das Buch Tausend und eine Nacht gewesen war. Das Märchen, das mir am besten gefiel - eines der kürzesten und das einfachste, das ich je gelesen habe -,
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