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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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zulieb geschriebenen Foliobandes, worauf ich den größten Theil meines Lebens verwendet habe, – wenn ich auch zugebe, daß es ein solches Gleichniß geben mag – nicht unvernünftig von ihnen, wenn sie erwarten würden, daß ich übrige Zeit und Lust habe, um ihm nachzuspüren? Es genüge, wenn ich sage, daß die Verwirrung und Unordnung, die dasselbe in den Phantasieen der Straßburger anrichtete, so allgemein war, – alle ihre geistigen Fähigkeiten in so überwältigender Weise beherrschte, – daß so viele seltsame Dinge mit gleicher Zuversicht von allen Seiten und mit gleicher Beredsamkeit an allen Orten hierüber besprochen und betheuert wurden, daß der ganze Strom der Unterhaltung und Verwunderung in dieser Richtung floß. Jede Menschenseele, die Guten und die Bösen, die Reichen und die Armen, die Gelehrten und die Ungelehrten, Doctoren und Studenten, Frauen und Mädchen, Edle und Bürgerliche, Nonnenfleisch und Weiberfleisch in Straßburg brachte die ganze Zeit damit zu, Neues hierüber in Erfahrung zu bringen; – jedes Auge in Straßburg schmachtete darnach die Nase zu sehen, – jeder Finger, jeder Daumen in Straßburg brannte sie zu befühlen.
    Was aber dieses heftige Verlangen noch steigerte, wenn es überhaupt noch dessen bedurfte, war, daß Schildwache, krummbeiniger Tambour, Trompeter, Trompeters Weib, Bürgermeisters Frau, Wirth und Wirthin, wie weit sie auch in ihren Beschreibungen der Nase des Fremdlings auseinander gingen, – alle in zwei Punkten vollkommen miteinander übereinstimmten: – nämlich daß er nach Frankfurt gegangen sei und in Monatsfrist nach Straßburg zurückkehren werde; und zweitens, daß, mochte seine Nase nun eine ächte oder falsche sein, der Fremdling selbst eines der vollkommensten Schönheitsmuster – der feinste Mann unter der Sonne – der edelste, – der freigebigste – der artigste in seinem ganzen Wesen, der jemals Straßburg betreten, gewesen sei; – daß wie er so mit dem Säbel leicht am Handgelenk hängend durch die Straßen geritten – wie er in seinen rothseidenen Hosen über den Paradeplatz gegangen sei – er dies mit einem milden Ausdruck sorgloser Bescheidenheit und doch zugleich so männlich gethan habe, – daß er (falls seine Nase nicht im Wege gestanden wäre) das Herz jeder Jungfrau, die das Auge auf ihn geworfen, in Gefahr gebracht haben würde.
    Ich kann ein Herz, welches dem Pulsiren und Schmachten einer so erregten Neugierde fremd ist, nicht auffordern die Aebtissin von Quedlinburg, die Priorin, die Decanin und die Untersängerin zu entschuldigen, weil sie Nachmittags nach dem Weibe des Trompeters schickten. Letztere schritt mit der Trompete ihres Mannes in der Hand durch die Straßen von Straßburg – es war dies der beste Apparat, den ihr die Kürze der Zeit – sie konnte nicht länger als drei Tage bleiben – gestattete, um ihre Theorie zu verdeutlichen.
    Und die Schildwache und der säbelbeinige Tambour! – O diesseits des alten Athen kam ihnen nichts gleich; sie hielten ihre Vorlesungen an alle Kommenden und Gehenden unter den Stadtthoren und mit derselben Würde wie ein Chrysippus, ein Crantor unter seinem Porticus.
    Der Gastwirth mit seinem Hausknecht zur Linken hielt seine Vorlesung in dem gleichen Stil – unter der Halle oder dem Thorweg seines Stallhofes; – seine Frau die ihrige etwas abgeschlossener in einem hinteren Zimmer. Jedermann strömte zu ihren Reden; nicht untereinander – sondern bald zu dieser bald zu jenem, wie dies bei solchen Dingen stets der Fall ist, wo Glaube und Leichtgläubigkeit führten. Mit einem Wort jeder Straßburger drängte sich nach Wissen, und jeder Straßburger erhielt auch das Wissen, dessen er bedurfte.
    Für alle Beweisführungen aus der Naturphilosophie ist die Thatsache bemerkenswerth, daß sobald das Trompetersweib die Privatstunde, welche sie der Aebtissin von Quedlinburg gab, beendigt hatte, und nun öffentlich zu sprechen begann, was sie von einem Stuhl in der Mitte des Paradeplatzes aus that – sie die anderen Redner dadurch wesentlich beeinträchtigte, daß sie sofort das feinste Publikum von Straßburg um sich versammelte. – Freilich (ruft Slawkenbergius aus) wenn ein über Philosophie Sprechender über eine Trompete verfügt, wie kann da ein Nebenbuhler in der Wissenschaft beanspruchen, sich neben ihm noch Gehör zu verschaffen?
    Während die Ungelehrten mittelst dieser Kanäle der Mittheilung auf den Grund des Brunnens zu kommen bemüht waren, wo die Wahrheit ihren

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