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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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oder ist es mir beschieden, vom Schicksal und von der Verläumdung mißhandelt zu werden? – soll ich unüberwiesen – ungehört – ungerührt weiter getrieben werden? – Warum blieb ich dann nicht in Straßburg, wo die Gerechtigkeit – aber ich hatte es geschworen! – Komm, du sollst saufen – bei St. Nicolaus – O Julia! – Warum spitzest du die Ohren? Es ist nur ein Mann u. s. w.
    Der Fremdling ritt weiter, indem er sich bald an sein Maulthier, bald an Julia wendete, – bis er an seinem Gasthof ankam, wo er alsbald abstieg, dafür besorgt war, daß sein Maulthier, wie er es versprochen hatte, gut verpflegt wurde, – seinen Mantelsack mit den rothseidenen Hosen abschnallte und eine Omelette zum Abendessen bestellte. Dann legte er sich gegen zwölf Uhr zu Bett und war nach fünf Minuten in Schlaf versunken.
    Um dieselbe Zeit etwa legte sich die Aufregung in Straßburg für diese Nacht, – die Straßburger gingen ebenfalls zu Bett – aber weder ihre Körper noch ihre Geister genossen der gleichen Ruhe wie der Fremdling. Die Feenkönigin hatte sich der Nase des Fremdlings bemächtigt und sie, ohne daß dadurch ihr Umfang gemindert wurde, in so viele Nasen von verschiedenem Zuschnitt und Form verwandelt, als es Köpfe in Straßburg gab. Die Aebtissin von Quedlinburg, die mit den vier Großwürdenträgerinnen ihres Kapitels, der Priorin, der Dekanin, der Untersängerin und der Oberkanonissin in dieser Woche nach Straßburg gekommen war, um die Universität in einer Gewissensfrage in Betreff ihrer Unterrockschlitze zu Rathe zu ziehen, – war die ganze Nacht krank.
    Die Nase des artigen Fremdlings hatte sich auf die Zirbeldrüse ihres Gehirns gesetzt und in den Phantasieen der vier Großwürdenträgerinnen ihres Kapitels einen solchen Aufruhr erregt, daß sie die ganze Nacht hindurch kein Auge zuthun konnten; – sie vermochten kein Glied ruhig zu halten: – kurz als sie aufstanden, sahen sie wie Gespenster aus.
    Die Büßerinnen von der dritten Ordnung des h. Franciscus, die Nonnen vom Calvarienberg, die Prämonstratenserinnen, die Clünianerinnen, [Hafen Slawkenbergius versteht darunter die Benedictiner Nonnen von Cluny, deren Orden im Jahr 940 durch den Abt Odo von Cluny gestiftet worden war.] die Karthäuserinnen und alle strengeren Nonnen-Orden, welche in jener Nacht auf Leintüchern oder härenen Ziechen lagen, waren in einer noch schlimmeren Lage als die Aebtissin von Quedlinburg; indem sie sich die ganze lange Nacht hindurch von der einen Seite ihres Bettes nach der andern warfen und wälzten. Die verschiedenen Schwesterschaften kratzten und prügelten sich fast zu Tode; alle glaubten, der h. Antonius habe sie mit seinem Feuer heimgesucht, um sie zu prüfen; kurz sie hatten von der Vesper bis zum Morgen kein Auge zugethan.
    Die Nonnen der h. Ursula handelten am klügsten; sie machten gar nicht den Versuch zu Bett zu gehen.
    Der Dekan von Straßburg, die Domherren, die Kapitelherren und Domiciliare, die am Morgen als geistliches Kapitel zusammengetreten waren, um die Frage der Butterwecken in Betracht zu ziehen, wünschten sämmtlich, sie hätten das Beispiel der Ursulinerinnen befolgt.
    In der Aufregung und Verwirrung, in der sich in dieser Nacht Alles befunden hatte, hatten die Bäcker total vergessen, ihren Hefenteig anzumachen; – so gab es in ganz Straßburg keine Butterwecken zum Frühstück. – Der ganze Dombezirk befand sich in beständiger Bewegung: – eine solche Ruhelosigkeit und Erregung, ein so eifriges Forschen nach der Ursache dieser Ruhelosigkeit war in Straßburg nicht dagewesen, seitdem Martin Luther die Stadt mit seiner Lehre auf den Kopf gestellt hatte.
    Wenn sich die Nase des Fremdlings so die Freiheit nahm, sich in die Speisen [Herr Shandy's Glückwunsch an die Redner! – es ist ihm sehr leid, daß Slawkenbergius hier sein Gleichniß verändert hat – woran er allein die Schuld trägt; – Herr Shandy als Uebersetzer that die ganze Zeit her, was er konnte, um sich genau daran zu halten – hier aber war es unmöglich.] der religiösen Orden zu mischen, welch' einen Carneval mußte sie nicht unter denen der Laien anrichten! – Das ist mehr als meine stumpfgeschriebene Feder zu schildern vermag; doch erkenne ich an (ruft Slawkenbergius in einem heitereren Gedankengange als ich von ihm erwartet hätte), daß es gegenwärtig viele gute Gleichnisse auf der Welt gibt, die meinen Landsleuten einige Idee davon geben könnten. Wäre es aber am Schlusse eines solchen, ihnen

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