Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
Untersuchung drohte und kehrte nach dem Gasthof zurück. Dort kleidete er sich um, packte seine rothseidenen Hosen wieder in den Mantelsack und befahl sein Maulthier vorzuführen.
Ich reise nach Frankfurt, sagte der Fremdling, und werde von heute über vier Wochen wieder in Straßburg sein.
Ich hoffe, ihr habt dies Thier gut verpflegt, setzte er hinzu und strich dem Maulthier mit der Linken über das Gesicht, – es hat mich und meinen Mantelsack über 600 Stunden weit getragen.
Das ist ein weiter Weg, meinte der Gastwirth, da muß man schon wichtige Geschäfte haben. – Allerdings, erwiderte der Fremdling, ich komme vom Vorgebirge der Nasen und habe mir dort eine der schönsten, trefflichsten Nasen angeschafft, die jemals einem Sterblichen zu Theil geworden ist.
Während der Fremdling so Rechenschaft von sich gab, betrachteten Wirth und Wirtin die Nase des Fremdlings mit gespannter Aufmerksamkeit. – Bei allen Heiligen! rief die Wirthin – diese Nase ist zwölf Mal größer als die größten in ganz Straßburg! – Nicht wahr, flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr, es ist eine herrliche Nase?
Da steckt eine Spitzbüberei dahinter, mein Schatz, erwiderte der Wirth, – die Nase ist offenbar falsch.
Sie ist ächt, erwiderte die Wirthin. Ich sage, sie ist aus Kiefernholz, entgegnete er, sie riecht ja nach Terpentin.
Es ist ein Karbunkel daran, sagte die Wirthin.
Es ist eine todte Nase, versetzte der Wirth.
Nein, sie ist lebendig, sagte sie, und so wahr ich selbst lebendig bin, ich werde sie anrühren.
Ich habe eine Gelübde bei dem h. Nicolaus gethan, daß Niemand meine Nase berühren darf bis – Bis wann? fragte jene.
Niemand soll sie berühren, versetzte er und kreuzte die Hände über der Brust bis zu der Stunde – Bis zu welcher Stunde? fragte jene. – Zu keiner, erwiderte der Fremdling, gelange ich selbst nicht an – An was? ich beschwöre euch? rief jene. – Der Fremdling erwiderte nichts, bestieg sein Maulthier und ritt weiter.
Der Fremdling hatte auf seinem Wege gen Frankfurt noch nicht eine halbe Stunde zurückgelegt, als bereits ganz Straßburg wegen seiner Nase in Aufruhr war. Die Abendglocken läuteten und riefen die Straßburger, um die Pflichten des Tags mit Gebet abzuschließen: – aber keine Seele in Straßburg hörte sie, – die Stadt war wie ein Bienenschwarm, – Männer, Frauen und Kinder rannten dahin und dorthin (während die Betglocke fortwährend bimmelte) – zur einen Thüre hinein zur andern hinaus – kreuz und quer, die eine Straße hinauf die andere hinunter – in jenes Gäßchen hinein, aus diesem heraus. – Habt ihr sie gesehen? Habt ihr sie gesehen? Habt ihr sie gesehen? O habt ihr sie gesehen? Wer hat sie gesehen? Wer hat sie gesehen? Um Gottes willen, wer hat sie gesehen?
Ach du meine Güte, ich war gerade in der Vesper! – Ich war beim Waschen, beim Stärken, beim Scheuern, beim Nähen. – Ach du lieber Gott, ich habe sie nicht gesehen! – habe sie nicht berührt – o wäre ich doch die Schildwache gewesen, oder der säbelbeinige Tambour, oder der Trompeter oder die Frau Trompeterin, so rief und jammerte es durch alle Straßen und Gassen von Straßburg.
Während diese heillose Verwirrung und Unordnung in der großen Stadt Straßburg triumphirte, war der artige Fremdling auf seinem Maultier so harmlos Frankfurt zu geritten, als ob ihn die ganze Sache nichts anginge, – dabei sprach er den ganzen Weg über in abgebrochenen Sätzen bald mit seinem Maulthier, – bald mit sich selbst, – bald mit seiner Julia.
O Julia, meine holde Julia! – Nein, ich kann nicht halten bleiben, damit du diese Disteln abfrissest. – Daß die verwünschte Zunge eines Nebenbuhlers mich eines solchen Genusses berauben konnte, als ich gerade auf dem Punkte stand ihn zu kosten.
Oh! – es sind nur Disteln – laß sie stehen; – du sollst heute Abend ein besseres Fressen haben.
Aus meinem Vaterlande verbannt, – von meinen Freunden getrennt – von dir!
Armer Teufel! du scheinst sehr ermüdet von deiner Wanderung! – Komm! – schreite etwas rascher aus – es ist ja nichts in meinem Mantelsack als zwei Hemden – die seidenen Hosen – und das Ding mit den Franzen – theure Julia!
Aber warum nach Frankfurt? – gibt es denn eine unsichtbare Hand, die mich geheimnißvoll all diese Schlangenpfade durch harmlose Länder führt?
Es stolpert bei jedem Schritt, bei St. Nicolaus! – Wenn es so fort geht, wird es Nacht bis wir hinkommen –
Geh ich dem Glück entgegen –
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