Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
kleinen Hof hält, – versuchten die Gelehrten es auf ihre Weise sie durch die Röhren dialektischer Induction herauszupumpen; – sie befaßten sich nicht mit Tatsachen, – sie raisonnirten.
Kein Beruf würde auch wirklich mehr Licht über diese Sache verbreitet haben als die Facultät, – wären nicht alle ihre Disputationen in Fleisch- und Wassergeschwülsten verlaufen, die sie um Alles in der Welt nicht vermeiden konnten. – Aber des Fremdlings Nase hatte weder mit Fleisch- noch mit Wassergeschwülsten etwas zu schaffen.
Doch wurde zur Genüge nachgewiesen, daß eine so gewaltige Masse heterogenen Stoffes sich, solange sich das Kind noch
in utero
befand, nicht an der Nase sammeln und vereinigen konnte, ohne das statische Gleichgewicht des Fötus zu zerstören und ihn neun Monate vor der Zeit mit einem Ruck auf den Kopf zu stellen.
Die Opponenten gaben die Theorie zu, – aber sie bestritten die Folgerungen.
Und, sagten sie, wenn nicht ein gehöriger Vorrath von Blut- und Pulsadern u. s. w. für die richtige Ernährung einer solchen Nase schon in die ersten Stamina oder Grundzüge ihrer Bildung gelegt worden wäre, ehe sie zur Welt kam, so hätte sie (den Fall einer Fleischgeschwulst ausgenommen) später nicht regelmäßig wachsen und unterhalten werden können.
Dies wurde in einer Dissertation über die Nahrung und die Wirkung, welche die Nahrung auf die Ausdehnung der Gefäße, sowie auf das Wachsthum und die Verlängerung der Muskeltheile der größten Größe und denkbarsten Ausdehnung übe, widerlegt. – Im Uebermaß dieser Theorie verstiegen sie sich zu der Behauptung, es liege in der Natur kein Hinderniß vor, warum eine Nase nicht so groß werden könne, wie der Mensch selbst.
Die Gegner überzeugten die Welt, daß ein solches Ereigniß nie eintreten könne, solange ein Mensch nur einen Magen und ein Paar Lungen habe; – denn, sagten sie, da der Magen das einzige Organ zur Aufnahme der Nahrung und Verwandlung derselben in Milchsaft, und die Lunge die einzige Maschine zur Blutbereitung sei, – so könne jener nicht mehr verarbeiten, als ihm der Hunger zuführe; und wenn man auch zugebe, daß ein Mensch seinen Magen überladen könne, so habe die Natur doch der Lunge Grenzen gesetzt, – diese Maschine sei von einer bestimmten Größe und Stärke und könne in einer gegebenen Zeit nur eine gewisse Menge verarbeiten, – das heißt, sie könne eben nur soviel Blut bereiten, als für einen einzigen Menschen hinreichend sei und nicht mehr; so daß wenn die Nase so groß wäre wie der Mensch, nothwendig der Eine oder die Andere zu kurz kommen müsse; und da Beide unmöglich erhalten werden könnten, müsse entweder die Nase von dem Menschen abfallen oder der Mensch von der Nase.
Die Natur bequemt sich Notfällen immer an, riefen die Widersacher, was würde denn sonst aus einem ganzen Magen und einer ganzen Lunge in einem halben Menschen, das heißt, wenn ihm unglücklicherweise beide Füße abgeschossen wären?
Er stirbt an Plethora (Ueberfülle), erwiderten jene, – oder er spuckt Blut und stirbt nach vierzehn Tagen oder drei Wochen an der Auszehrung.
Das geschieht aber nicht, entgegnen die Ersteren.
Aber es müßte geschehen, sagten die Letzteren.
Die wißbegierigeren und energischeren Forscher auf dem Gebiete der Natur und ihrer Thaten gingen zwar eine gute Strecke zusammen, doch trennten sie sich über die Nase selbst fast so weit als die Mitglieder der Facultät.
Sie sprachen sich freundschaftlich dahin aus, daß in den verschiedenen Theilen des menschlichen Körpers eine richtige, geometrische Ordnung und Auftheilung im Verhältniß zu ihren verschiedenen Bestimmungen, Zwecken und Obliegenheiten bestehe, über die sie nur innerhalb gewisser Grenzen hinausgehen könne; – daß die Natur sich allerdings Spiele erlaube – aber doch nur innerhalb eines gewissen Kreises; – freilich über den Durchmesser dieses Kreises konnten sie sich nicht vereinigen.
Die Logiker hielten sich strenger an den vorliegenden Fall als die übrigen Classen der Literaten; – das Wort Nase war ihr erstes und letztes Wort; und hätte sich nicht einer ihrer fähigsten Köpfe gleich bei Beginn des Kampfes in eine
petitio principii
verrannt, so wäre der Streit sofort festgestellt worden.
Eine Nase, folgerte der Logiker, kann nicht bluten ohne daß sie Blut, – und zwar nicht nur Blut – sondern darin circulirendes Blut hat, um jene Erscheinung in einer Folge von Tropfen zu bewirken – (ein Strom ist nur
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