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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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trefflich, – die burgundischen Berge aber, auf denen er gewachsen, waren steil, – am Fuße derselben lag ein kühles Häuschen und über der Thüre hing ein verlockender Weinkranz, der in voller Harmonie mit den Leidenschaften hin- und herschwankte, – ein süßes Lüftchen raschelte durch seine Blätter und flüsterte ganz deutlich: Komm herein, – durstiger Maulthiertreiber, – komm herein, herein!
    Der Maulthiertreiber war ein Sohn Adams – ich brauche kein Wort weiter zu sagen. Er gab jedem der Maulthiere einen tüchtigen Hieb, sah dabei der Aebtissin und der Margarita ins Gesicht als wollte er sagen: »Da bin ich« – that dann noch einen tüchtigen Klatsch, – als wollte er zu den Maulthieren sagen: Vorwärts! – dann schlich er hinten weg und trat in das kleine Wirthshaus am Fuß der Anhöhe.
    Der Maulthiertreiber war wie gesagt ein kleiner, heiterer, zwitschernder Bursche, der nicht an den morgenden Tag dachte, noch an die Vergangenheit oder die Zukunft, wenn er nur sein Schöpplein Burgunder hatte, und daneben her ein kleines Geplauder. Er begann daher eine lange Unterhaltung und erzählte, wie er eigentlich der Obergärtner des Klosters von Andouillets sei u. s. w. und daß er nur aus Freundschaft für die Aebtissin und Fräulein Margarita, die sich erst in ihrem Noviziat befinde, mit ihnen von der savoyischen Grenze herkomme u. s. w., – daß jene in Folge ihrer Frömmigkeit eine Gelenksgeschwulst bekommen habe, daß er ihr schon ein ganzes Heer von Kräutern geliefert habe, um die Geschwulst zu erweichen, – und daß wenn das Bein nicht durch das Wasser von Bourbon wieder recht werde, sie wohl an beiden lahm werden könnte u. s. w. Er kam dabei so in seine Geschichte hinein, daß er die Heldin derselben ganz vergaß und auch die kleine Novize; und was ein noch weit bedenklicherer Punkt war, auch die zwei Maulthiere. Maulthiere sind aber Geschöpfe, die ebenso aus der Welt Vortheil zu ziehen wissen, wie ihre Eltern aus der Gelegenheit, – und da sie nicht in der Lage sind, das Gleiche in absteigender Linie zu thun (wie Männer und Frauen und sonstige Thiere), – so thun sie es nach seitwärts, nach vorwärts und rückwärts, – Berg auf und Berg ab, und wie sie eben können. – Die Philosophen haben dies trotz all ihrer Ethik nie recht erwogen: – wie sollte es also der arme Maulthiertreiber bei seinem Schoppen? Er that es auch nicht; – es ist daher Zeit, daß wir es thun. Wir lassen ihn also im Strudel seines Elements, als den glücklichsten, gedankenlosesten aller Sterblichen – und sehen einen Augenblick nach den Maulthieren, der Aebtissin und Margarita.
    Kraft der zwei letzten Hiebe des Maulthiertreibers waren die Maulthiere ruhig weitergegangen und hatten gewissenhaft die Höhe erstiegen, bis sie etwa die eine Hälfte derselben hinter sich hatten. Dann aber that das ältere, ein boshafter verschmitzter alter Teufel bei einer Krümmung der Straße einen Seitenblick und bemerkte, daß kein Maulthiertreiber hinten war. – Hol mich der Teufel, sagte es fluchend, wenn ich weiter geh'. – Und wenn ich's thu, sagte das Andere, so sollen sie ein Trommelfell aus meiner Haut machen.
    Sie blieben wie auf ein Kommando stehen.

223. Kapitel.
    Fort, ihr! sagte die Aebtissin.
    Hü – ü – ü! rief Margarita.
    Hü – o! Hü – o! Hü – o! grillte die Aebtissin.
    Schü – schü! schü! machte Margarita, indem sie die holden Lippen zu einem Mittelding zwischen Gekreisch und Gepfeife zusammenpreßte.
    Puff, Puff, Puff! polterte die Aebtissin von Andouillets mit dem Ende ihres goldknopfigen Stocks gegen den Boden der Kalesche.
    Das alte Maulthier ließ einen F—.

224. Kapitel.
    Wir sind verloren, wir sind hin, mein Kind, sagte die Aebtissin zu Margarita, – wir werden die ganze Nacht über da bleiben müssen; – man wird uns ausplündern – man wird uns nothzüchtigen!
    Man wird uns nothzüchtigen. rief Margarita, das kann gar nicht fehlen.
    Sancta Maria! schrie die Aebtissin und vergaß das O! – warum habe ich dieses verwünschte steife Gelenk? warum verließ ich das Kloster von Andouillets? Warum hast du nicht gewollt, daß deine Dienerin unbefleckt in die Grube fahre?
    O mein Finger, mein Finger! rief die Novize, die beim Wort Dienerin ebenfalls Feuer gefangen hatte, – warum habe ich mich nicht begnügt, ihn dahinein zu stecken, oder dort hinein; besser doch überall hinein als in dieser Noth zu stecken!
    Stecken! wiederholte die Aebtissin.
    Stecken! sagte die Novize, die

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