Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
hatte dagegen jedes Heilmittel versucht: zuerst Gebete und Lobgesänge, dann Anrufung aller Heiligen untereinander; hierauf jedes einzelnen Heiligen, der jemals vor ihr ein steifes Bein gehabt hatte; dann Berührung mit allen Reliquien des Klosters, besonders mit dem Dickbein des Mannes von Lystra, der von Jugend auf impotent gewesen war; – dann Umhüllung mit ihrem Schleier, wenn sie zu Bette ging; hierauf kreuzweise Umspannung mit ihrem Rosenkranz; dann Beiziehung weltlicher Hilfe – namentlich Einölen und Einschmieren mit Thierfett; sodann Behandlung mit erweichenden und auflösenden Bähungen; dann Umschläge von Pappelrosen, Malven, Bonus Henricus, weißen Lilien und Bockshorn; hierauf Holzrauch. indem sie den Schooß mit dem Scapulier bedeckte; auch Abkochungen von wilder Cichorie, Wasserkresse, Kerbel, süßer Cäcilie und Cochlearie. Als dies Alles nichts half, entschloß sie sich endlich die heißen Bäder von Bourbon zu gebrauchen, und nachdem sie die Erlaubniß vom Generalvisitator erhalten hatte, diese Cur zu gebrauchen, machte sie die Anordnungen zu ihrer Reise. Eine etwa siebzehn Jahre alte Novize ihres Klosters, die einen Wurm am Mittelfinger hatte, hatte dadurch, daß sie diesen beständig in die Umschläge der Aebtissin steckte, – so sehr bei letzterer gewonnen, daß die kleine Novize Margarita mit Uebergehung einer alten schiatischen Nonne, die wol durch die heißen Bäder von Bourbon für immer wieder gerade gerichtet worden wäre, zur Reisegefährtin gewählt wurde.
Eine alte der Aebtissin gehörige, mit grünem Fries gefütterte Kalesche wurde in die Sonne herausgezogen, und der Klostergärtner zum Maulthiertreiber gewählt. Er führte die zwei alten Maulthiere heraus, um ihnen die Haare an den Schwanzenden abzuschneiden. Ein Paar Laienschwestern waren damit beschäftigt, das Chaisenfutter zu stopfen und die Lappen von gelben Borten wieder anzunähen, welche der Zahn der Zeit zernagt hatte. Der Untergärtner färbte den Hut des Maulthiertreibers in heißer Weinhefe wieder auf und ein Schneider saß in einem Schuppen gegenüber vom Kloster als musikalische Beihilfe, indem er vier Dutzend Glöckchen des Zaumwerks ordnete und jedem Glöckchen, während er es mit einem Schnürchen befestigte, Eins pfiff.
Der Zimmermann und der Schmied von Andouillets beriethen sich wegen der Räder, und am andern Morgen um sieben Uhr sah Alles sauber aus und stand am Klosterthor bereit, um die Fahrt nach den heißen Bädern von Bourbon anzutreten.
Zwei Reihen Unglücklicher standen schon eine Stunde vorher da.
Die Aebtissin von Andouillets ging von der Novize Margarita unterstützt langsam nach der Kalesche. Beide waren weiß gekleidet, ihre schwarzen Rosenkränze hingen ihnen über den Busen. Es lag eine einfache Feierlichkeit in diesem Gegensatz.
Jetzt stiegen sie in die Kalesche; die mit dem gleichen Gewande, dem holden Sinnbild der Unschuld bekleideten Nonnen hatten alle Fenster besetzt; und als die Aebtissin und Margarita hinaufsahen, – ließen sie alle (mit Ausnahme der armen schiatischen Nonne) die Enden ihrer Schleier hinausflattern und küßten dann die weiße Hand, die jene wehen ließ. Die gute Aebtissin und Margarita legten ihre Hände wie die Heiligen auf die Brust, – schauten gen Himmel, – dann zu jenen hinauf, – und ihr Blick sprach: Gott segne euch, theure Schwestern.
Ich muß hier aussprechen, daß ich ein besonderes Interesse an dieser Geschichte nehme und wollte, ich wäre dabei gewesen.
Der Gärtner, den ich jetzt den Maulthiertreiber nennen werde, war ein kleiner, kräftiger, breitangelegter, gutmüthiger, schwatzhafter und trunkliebender Bursche, der seinen Kopf wenig mit den Wie?'s und Wann?'s des Lebens plagte. Er hatte einen Monat seines Klosterlohns für einen Borrachio oder ledernen Weinschlauch ausgegeben, den er hinten an die Kalesche befestigt und mit einem großen rothbraunen Reitmantel bedeckt hatte, um ihn vor der Sonne zu schützen; und da das Wetter sehr warm und er kein Knauser mit seinen körperlichen Bewegungen war, so ging er zehn Mal mehr zu Fuß als er fuhr, – und fand dabei öfter Gelegenheit, als sonst die Natur bot, sich hinter der Kalesche zu befinden, bis es in Folge des häufigen Kommens und Gehens so weit kam, daß all sein Wein den Weg durch die rechtmäßige Oeffnung des Borrachio gefunden hatte, noch ehe die Hälfte der Reise um war.
Der Mensch ist ein Gewohnheitsthier. Der Tag war schwül gewesen, – der Abend war köstlich, – und der Wein
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