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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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vor Angst nicht mehr wußte was sie that – die Eine wußte nicht was sie sagte – die Andere nicht was sie antwortete.
    O meine Jungferschaft! Jungferschaft! rief die Aebtissin.
    – Schaft! – schaft! schluchzte die Novize.

225. Kapitel.
    Theure Mutter, sprach endlich, etwas zu sich kommend die Novize, – es gibt zwei Worte, die, wie man mir gesagt hat, jedes Pferd, jeden Esel oder Maulthier zwingen, einen Berg hinaufzugehen, es mag wollen oder nicht; wenn es noch so eigensinnig oder widerspenstig. sobald es die Worte hört, zieht es. – Das sind also Hexenworte! rief die Aebtissin voll Abscheu. – Nein, versetzte Margarita ruhig, – es sind aber sündhafte Worte. – Wie heißen sie denn? fragte die Aebtissin schnell. – Sie sind im höchsten Grad sündhaft, erwiderte Margarita, – sie sind todtbringend, – und wenn wir genothzüchtigt würden und stürben, ohne davon absolvirt zu werden, so würden wir beide – Aber du kannst sie mir doch nennen, sagte die Aebtissin von Andouillets. – Sie lassen sich gar nicht aussprechen, theure Mutter, antwortete die Novize, sie würden Einem alles Blut ins Gesicht treiben. – Aber du kannst sie mir ja ins Ohr flüstern, meinte die Aebtissin.
    Himmel! hast du keinen Schutzengel bei der Hand, den du nach dem Wirthshause am Fuße des Hügels schicken könntest? – Ist nicht ein edelmüthiger, freundlicher Geist gerade ohne Beschäftigung? Gibt es keine Kraft in der Natur, die mahnender Weise längs der Ader, die zum Herzen führt, hinschauern könnte, um den Maulthiertreiber bei seinem Schoppen zu wecken? – keine süße Musik, die den schönen Gedanken an die Aebtissin und Margarita mit ihren schwarzen Rosenkränzen in ihm erweckte?
    Auf! auf! – aber schon ist es zu spät; – die entsetzlichen Worte sind bereits gesprochen, – aber wie soll ich sie nennen? – Ihr die ihr Alles mit unbefleckten Lippen aussprechen könnt, – belehrt mich – leitet mich!

226. Kapitel.
    Der Beichtvater unseres Klosters, sagte die Aebtissin, welche die Noth zur Casuistin machte, lehrt, daß die Sünden entweder Todsünden oder Schwachheitssünden seien, eine weitere Abtheilung gibt es nicht. Wenn nun eine Schwachheitssünde, welches die kleinste, leichteste aller Sünden ist, – halbirt wird, – indem man entweder die Hälfte davon nimmt und den Rest liegen läßt, – oder sie zwar ganz nimmt, aber sie zwischen sich und einer anderen Person halbirt, – so wird sie dadurch so abgeschwächt, daß sie gar keine Sünde mehr ist. Nun sehe ich durchaus keine Sünde darin hundert Mal nacheinander
bou, bou, bou, bou
zu sagen; ebensowenig kann ein Unrecht darin gefunden werden, wenn man die Silbe
gre, gre, gre, gre
von der Frühmette bis zur Vesper ausspräche. Deshalb, liebe Tochter, fuhr die Aebtissin von Andouillets fort, will ich
bou
sagen und du sagst
gre
; und dann, da
fou
ebenso unschuldig ist wie
bou
, sagst du
fou
, – und ich falle dann (wie
fa, sol, la, re, mi, ut
in unserem Vespergesang) mit
tre
ein.
    Und alsbald begann die Aebtissin den Ton angebend, folgendermaßen:

       
Aebtissin
Margarita
 { 
 { 
Bou – bou – bou
gre – gre – gre!
Margarita
Aebtissin
 { 
 { 
Fou – fou – fou
tre – tre – tre!

    Die zwei Maulthiere anerkannten die Richtigkeit der Noten durch einen gegenseitigen Klatsch mit dem Schwanz; aber weiter ging es nicht.

    Sie werden schon nach und nach folgen, sagte die Novize.
       
Aebtissin
Margarita
 { 
 { 
Bou – bou – bou – bou – bou
gre – gre – gre – gre – gre – !

    Schneller, sagte Margarita.
Fou – fou – fou – fou – fou – fou.
    Noch schneller, rief Margarita.
Bou – bou – bou – bou – bou – bou – bou – bou.

    Immer schneller. – Gott behüte mich, sagte die Aebtissin. – Sie verstehen uns nicht, rief Margarita. – Aber der Teufel thut's sagte die Aebtissin von Andouillets.

227. Kapitel.
    Welch' eine Strecke habe ich jetzt zurückgelegt! – um wie viel Grade bin ich der warmen Sonne näher gerückt, und wie viele schöne und anmuthige Städte habe ich gesehen, seitdem Sie, Madame, die obige Geschichte lasen und überdachten. – Fontaineblau und Sens, Joigny und Auxerre, Dijon, die Hauptstadt von Burgund, und Chalons und Macon, die Hauptstadt des Maconais, und noch etliche und zwanzig weiter auf der Straße nach Lyons. Jetzt habe ich sie hinter mir und könnte Ihnen ebensogut von der gleichen Anzahl Marktflecken im Monde sprechen, als ein Wort über sie sagen; dies

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