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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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weil es ihm an Scharfsinn gefehlt hätte – sondern weil es ein Vorzug ist, den man in einer Abschweifung selten findet, oder überhaupt erwartet – nämlich, daß, obschon meine Abschweifungen alle an sich sehr schön sind, wie Sie sehen – und ich von dem, woran ich gerade bin, so weit und so oft abschweife als irgend ein Schriftsteller in Großbritannien – ich doch beständig Sorge trage, die Sachen so einzurichten, daß mein Hauptgeschäft deshalb doch in meiner Abwesenheit nicht stille steht.
    So war ich zum Beispiel eben daran, Ihnen den höchst wunderlichen Charakter meines Onkels Toby in großen Umrissen zu schildern – als meine Tante Dinah und ihr Kutscher dazwischen kam und uns einige Millionen Meilen weit bis in das Herz des Planetensystems wandern ließ; trotz alle dem, werden Sie aber bemerken, daß die Schilderung von meines Onkels Toby Charakter die ganze Zeit über ruhig weiter ging; – nicht in den großen Umrissen – das war unmöglich – aber in einigen Familienzügen und leichten Andeutungen, die da und dort in unserem Weitergehen berührt wurden, so daß Sie jetzt mit meinem Onkel Toby weit besser bekannt sind, als Sie es vorher waren.
    Dieser Kunstgriff macht die Maschinerie meines Werks zu einer ganz eigenthümlichen; sie erhält dadurch zwei entgegengesetzte Bewegungen, die sich doch wieder vereinigen. während man hätte glauben sollen, daß sie einander stören würden. Mit Einem Wort, mein Werk schweift ab und kommt doch vorwärts – und zwar zu gleicher Zeit.
    Es ist dies, mein Herr, etwas ganz Anderes als die Umdrehung der Erde um ihre Achse bei ihrem täglichen Weiterrollen, mit ihrem Fortschreiten in einer elliptischen Bahn, wodurch das Jahr vollendet und die Mannichfaltigkeit und der Wechsel der Jahreszeiten, deren wir uns erfreuen, bewirkt wird; – obwol ich zugebe, daß ich dadurch auf den Gedanken kam – wie ich auch glaube, daß die größten Verbesserungen und Entdeckungen, deren wir uns rühmen, aus ähnlichen kleinen Winken entstanden sind.
    Abschweifungen sind unläugbar der Sonnenschein – das Leben, die Seele der Lecture – man nehme sie zum Beispiel aus diesem Buche – so könnte man ebensogut das ganze Buch mitnehmen – auf jeder Seite desselben würde ein kalter ewiger Winter herrschen; man gebe sie dem Schriftsteller zurück – und er schreitet daher wie ein Bräutigam – bietet Allen seinen Gruß, bringt Mannichfaltigkeit herein und verhindert, daß der Appetit abhanden kommt.
    Die ganze Kunst besteht darin, daß diese Abschweifungen gut gekocht und so hergerichtet werden, daß sie nicht nur dem Leser, sondern auch dem Schriftsteller zu Gute kommen, dessen Noth hiebei wirklich jammernswürdig ist; denn wenn er eine Abschweifung beginnt – im gleichen Augenblick werden Sie bemerken, daß sein ganzes Werk stille steht – und wenn er dann wieder in der Hauptsache fortfährt – ist es mit seiner Abschweifung aus.
    Das ist aber ein elendes Geschäft. – Und deshalb sehen Sie, habe ich gleich von Anfang an das Hauptwerk so construirt und die zufälligen Theile desselben mit solchen Einschnitten versehen und die abschweifenden und fortschreitenden Bewegungen so mit einander und in einander verbunden, ein Rad mit dem andern, daß die ganze Maschine im Gang bleibt; – und was noch mehr ist, sie soll ihre 40 Jahre lang so fortgehen, wenn es der Quelle aller Gesundheit gefällt mich solange am Leben und bei guter Laune zu erhalten.

23. Kapitel.
    Ich fühle eine starke Neigung in mir, dieses Kapitel mit einem rechten Unsinn anzufangen; ich will auch meiner Laune dies Mal keinen Zwang anthun – und so fahre ich denn folgendermaßen vor:
    Wenn, wie der Erzkritikus Momus als wesentliche Verbesserung vorgeschlagen, wirklich ein Glasfenster vor das menschliche Herz gesetzt worden wäre – so hätte dies gewiß in erster Linie eine sehr närrische Folge gehabt – die Weisesten und Ernstesten von uns nämlich hätten in dieser oder jener Münze tagtäglich Fenstersteuer zahlen müssen. Und zweitens wäre besagtes Fenster eingesetzt worden, so hätte es weiter nichts gebraucht, um den Charakter eines Menschen kennen zu lernen, als daß man einen Stuhl genommen hätte und damit sachte, wie an einen gläsernen Bienenkorb herangegangen wäre, und hätte hineingeschaut – die Seele in ihrer Nacktheit betrachtet, – alle ihre Bewegungen und Regungen bemerkt – alle ihre Grillen von ihrem Entstehen bis zu ihrem zum Vorscheinkommen beobachtet – ihre Luftsprünge,

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