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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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sei er nun reich oder arm, wenn er nur ein rechtschaffnes Herz hat (ein so gelenktes und belehrtes Herz), er wird sich immer einer heiteren Miene erfreuen; sein Herz wird ihm mehr sagen, als sieben Wächter, die hoch oben auf einem Thurme sitzen. – (Ein Thurm hat keine Stärke, wenn er nicht flankirt ist, bemerkte mein Onkel Toby). – In den dunkelsten Zweifeln wird es ihn sicherer leiten als tausend Casuisten, und dem Staat, in welchem er lebt, ein besseres Pfand für seine Aufführung geben, als all die Fälle und Beschränkungen zusammen, welche die Gesetzgeber beständig vermehren müssen: – ja müssen, wie die Dinge nun einmal stehen. Denn die menschlichen Gesetze sind nicht aus einer ursprünglichen freien Wahl hervorgegangen, sondern lediglich aus der Notwendigkeit, und sollen gegen die schlimmen Wirkungen solcher Gewissen schützen, die nicht Gesetze für sich selbst sind; sie sollen und wollen durch ihre mannichfachen Verkehrungen, in all den schlechten und mißleiteten Fällen, wo uns weder Grundsätze noch die Mahnungen des Gewissens zu einem rechtschaffenen Handeln veranlassen, jene verstärken und uns durch die Schrecknisse von Kerker und Strang dazu nöthigen.
    (Es ist mir jetzt ganz klar, sagte mein Vater, daß diese Predigt in der Absicht verfaßt wurde, um im Tempel – oder bei einer Schwurgerichtsverhandlung gehalten zu werden. – Die Art des Raisonnements gefällt mir – und es thut mir leid, daß
Dr.
 Slop eingeschlafen ist, ehe er sich von dem wirklichen Sachverhalt überzeugen konnte; – denn es ist jetzt klar, daß der Pfarrer den heiligen Paulus nicht im geringsten schmähen wollte, wie ich gleich dachte; – ja es besteht nicht die leiseste verschiedene Ansicht zwischen ihnen, Bruder. – Und was wäre es auch gewesen, wenn sie verschiedener Ansicht waren, bemerkte mein Onkel Toby, – die besten Freunde von der Welt können ja manchmal verschiedener Ansicht sein. – Sehr wahr, Bruder Toby, sagte mein Vater und schüttelte ihm die Hand, – wir wollen unsere Pfeifen neu stopfen und dann soll Trim weiter lesen.
    Nun, sagte mein Vater zu Corporal Trim, als ihm dieser die Tabaksbüchse hinbot, was denkst du von der Sache?
    Ich denke, erwiderte der Corporal, die sieben Wächter auf dem Thurm – die doch wol alle Schildwachen vorstellen – sind mehr als nöthig, wenn Euer Gnaden erlauben; – wenn man auf diese Art ins Zeug ginge, so wäre ein Regiment bald ruinirt, und das wird ein commandierender Offizier, der seine Leute liebt, niemals thun, wenn er nicht durchaus muß; denn eine Doppelschildwache, setzte der Corporal hinzu, thut denselben Dienst wie zwanzig. – Ich war selbst in der Leibgarde wol hundert Mal Wachcommandant, fuhr Trim fort, wobei er um einen guten Zoll höher wurde, – aber in der ganzen Zeit, wo ich die Ehre hatte, Seiner Majestät dem König William zu dienen und die wichtigsten Posten abzulösen, habe ich nie mehr als zwei Mann auf einem Posten abgegeben.
    – Das war sehr richtig, Trim, bemerkte mein Onkel Toby, aber du bedenkst nicht, Trim, daß die Thürme zur Zeit Salomo's anders waren als unsere Bastionsthürme, die durch andere Werke flankirt und vertheidigt werden. – Diese Erfindung, Trim, trat erst nach Salomo ein; auch hatte man damals weder Hornwerke noch Ravelins vor den Courtinen; – auch keine solche Gräben wie wir sie herstellen, mit einer Cuvette in der Mitte und bedecktem Weg und palissadirter Contrescarpe dem Graben entlang, um gegen einen Handstreich gesichert zu sein; – die sieben Mann aus dem Thurm bildeten somit wol einen Theil der Wachmannschaft selbst, und hatten nicht blos Ausschau zu halten, sondern auch den Thurm zu vertheidigen. –
    – Dann war es eben nur ein Unteroffiziersposten, halten zu Gnaden. – Mein Vater lächelte im Innern, nicht nach Außen, denn der Gegenstand war doch zu ernst, um ihn zum Gegenstand eines Scherzes zu machen: – er steckte somit nur die Pfeife in den Mund, die er eben wieder angezündet hatte, – und begnügte sich Trim zu sagen, er solle weiter lesen. Dieser las wie folgt:)
    »Die Furcht Gottes vor Augen zu haben, und bei unserem Verkehr mit andern unsere Handlungen nach dem ewigen Maß von Recht und Unrecht zu richten – ist eines Theils Gebot der Religion, andern Theils der Moral. Beide sind aber so unzertrennlich miteinander verknüpft, daß man diese zwei Gesetzestafeln selbst nicht einmal in Gedanken von einander trennen kann (obschon man dies in der Praxis häufig versucht hat), ohne

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