Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy
hergerichtet, oder die Schließe nicht fest – oder ist es auch möglich, daß mich der Schnitt in meinen Daumen etwas ungeschickt gemacht hat – oder möglicherweise – Es ist nur gut, bemerkte mein Vater, indem er das Detail der Möglichkeiten unterbrach – daß der Versuch nicht zuerst am Kopf meines Kindes gemacht wurde. – Er wäre nicht um einen Kirschkern schlechter weggekommen, erwiderte
Dr.
Slop. – Und ich behaupte, sagte mein Onkel Toby, es hätte ihm das
Cerebellum
zerquetscht (wofern der Schädel nicht so hart wie eine Granate war) und es vollständig in Molken verwandelt. – Ach was! erwiderte
Dr.
Slop, der Kopf eines Kindes ist von Natur so weich wie das Fleisch eines Apfels; – die Nähte geben nach, – und über dies hätte ich es ja nachher bei den Füßen extrahiren können. – Aber Sie nicht – sagte sie. – Ich wollte, Sie fingen mit letzterem an, versetzte mein Vater.
Darum möcht' ich auch gebeten haben, setzte mein Onkel Toby hinzu.
61. Kapitel.
– Aber ich bitte Sie, liebe Frau, wollen Sie es auf Ihre Verantwortung nehmen zu behaupten, Sie haben des Kindes Kopf gespürt, könnte es nicht ebensogut die Lende sein? – (Es ist ganz gewiß der Kopf, erwiderte die Hebamme.) – Denn, fuhr
Dr.
Slop gegen meinen Vater gewendet fort, so bestimmt sich auch diese alten Frauen in der Regel aussprechen – so ist das doch sehr schwer genau zu wissen – und doch ist es höchst wichtig, es zu wissen – denn würde die Lende für den Kopf genommen, – so wäre es leicht möglich (wenn es ein Knabe ist), daß durch die Zange † † † †
Was für eine Möglichkeit hierbei war, flüsterte
Dr.
Slop meinem Vater und dann meinem Onkel Toby ganz leise ins Ohr. – Bei dem Kopf hat es diese Gefahr nicht, setzte er hinzu. – Nein wahrhaftig, erwiderte mein Vater; – wenn aber einmal das was Sie für möglich halten, an der Lende stattgefunden hätte – dann könnten Sie ihm ebensogut auch noch den Kopf mitnehmen.
Es ist moralisch unmöglich, daß der Leser dies verstehen kann; – es genügt, daß
Dr.
Slop es verstand – er nahm nun den grünwollenen Beutel zur Hand und trippelte in Obadiah's Hausschuhen für einen Mann seiner Dicke ziemlich hurtig durch das Zimmer nach der Thüre; – dort zeigte ihm die gute alte Hebamme den Weg nach den Gemächern meiner Mutter.
62. Kapitel.
Es sind jetzt zwei Stunden und zehen Minuten – nicht mehr, – seit
Dr.
Slop und Obadiah ankamen, sagte mein Vater, indem er auf seine Uhr sah; – und ich weiß nicht wie es kommt, Bruder Toby, – aber es will mich bedünken, als sei es schon eine Ewigkeit her.
– Da, lieber Leser – bitte, nehmen Sie meine Mütze; – o nehmen Sie nur die Schelle auch mit, und meine Pantoffeln dazu.
Sie stehen Ihnen vollständig zu Dienste; ja ich mache Ihnen ein Geschenk damit, unter der Bedingung, daß Sie diesem Kapitel Ihre ganze Aufmerksamkeit schenken.
Mein Vater sagte zwar: er wisse nicht wie es komme, – er wußte jedoch recht gut wie es kam; – und war schon in dem Augenblick wo er so sprach, innerlich entschlossen, meinem Onkel Toby hierüber genaue Rechenschaft zu geben und zwar in einer metaphysischen Dissertation über die Zeitdauer und ihre einfachen Grade, und meinem Onkel Toby dabei auseinanderzusetzen, durch welchen Mechanismus, durch welche Messungen im Gehirn es geschehen sei, daß die rasche Aufeinanderfolge ihrer Ideen und das beständige Springen der Unterhaltung von einem Gegenstand zum andern, seitdem
Dr.
Slop in das Zimmer getreten war, einem so kurzen Zeitraum eine so unbegreiflich lange Ausdehnung gegeben hatte. – Ich weiß nicht wie es kommt – sagte mein Vater, – aber es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.
– Das, erwiderte mein Onkel Toby, kommt einzig von der raschen Aufeinanderfolge unserer Ideen her.
Mein Vater, der wie alle Philosophen die Wuth hatte, über Alles was ihm aufstieß zu raisonniren und es zu erklären zu suchen, – hatte sich bereits ein ungeheures Vergnügen davon versprochen, sich über die Ideenfolge auszusprechen. Es fiel ihm nicht im Schlafe ein, daß mein Onkel Toby ihm die Sache so aus der Hand winden würde, denn dieser Biedermann nahm alle Dinge in der Regel wie sie kamen, – und plagte sein Gehirn mit nichts weniger auf der Welt als mit dunkeln Ideen – mit den Gedanken von Zeit und Raum – oder mit der Frage wie wir zu diesen Gedanken kämen – oder aus welchem Stoffe sie bestünden – oder ob sie mit uns geboren seien – oder
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