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Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy

Titel: Leben und Meinungen des Herren Tristram Shandy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laurence Sterne
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ob wir sie später unterwegs wo aufgeschnappt – ob wir es im Kinderröckchen gethan – oder erst nach dem wir Hosen bekommen, – nebst noch tausend andern Fragen und Betrachtungen über Unendlichkeit, Vorherwissen, Freiheit, Notwendigkeit u. s. w., über welchen verzweifelten und nicht zu bewältigenden Ideen schon so manche feine Köpfe sich verdrehten und zerbrochen wurden – dem Allem that mein Onkel Toby nie das Geringste; das wußte mein Vater – und war deshalb ebenso erstaunt als verblüfft über meines Onkels zufällig Lösung der Frage.
    Kennst du die Theorie, die dieser Sache zu Grunde liegt? erwiderte mein Vater.
    O nein, sagte mein Onkel.
    Aber du hast doch eine gewisse Idee, von dem was du gesagt hast? fuhr mein Vater fort.
    So wenig wie mein Pferd, erwiderte mein Onkel Toby.
    Guter Gott! rief mein Vater, indem er nach Oben sah und die Hände zusammenschlug, – es liegt ein gewisser Werth in deiner ehrlichen Unwissenheit, Bruder Toby; – fast ist es Schade, sie gegen die Kenntniß umzutauschen. – Ich will dir aber sagen, wie die Sache ist.
    Um zu verstehen, was Zeit eigentlich ist, ohne welchen Begriff wir die Unendlichkeit nie verstehen können, da jene ein Theil dieser ist – müssen wir ernstlich in Betracht ziehen, welchen Begriff wir von einer Dauer haben, um uns Rechenschaft darüber geben zu können, wie wir dazu gelangten. – Zu was soll denn das gut sein? fragte mein Onkel Toby. [Siehe Locke.] – Denn wenn du deinen Blick auf dein Inneres heftest, fuhr mein Vater fort, und es aufmerksam beobachtest, so wirst du finden, Bruder, daß während du und ich miteinander sprechen und denken und unsere Pfeifen rauchen, oder während wir nach und nach Ideen in uns aufnehmen, wir bewußt sind, daß wir existiren; und so betrachten wir unsere Existenz oder die Fortdauer derselben, oder von irgend etwas, nach dem Maßstab der Ideenfolge in unserem Innern, der Dauer unserer selbst oder irgend eines anderen Dings, das mit unserem Denken coexistirt; so folgt aus dem Vorgedachten – mir steht der Verstand still! rief mein Onkel Toby.
    Daher kommt es, versetzte mein Vater, daß wir bei unserer Berechnung der Zeit so an Minuten, Stunden, Wochen und Monate – und an Uhren gewöhnt sind (ich wollte, es gäbe im ganzen Königreiche keine Uhr), um ihre einzelnen Theile und uns unseren Angehörigen zuzumessen – daß es gut gehen muß, wenn uns für die Zukunft die Folge unserer Ideen überhaupt zu irgend etwas nutz sein soll.
    Nun findet aber, fuhr mein Vater fort, ob wir es nun beobachten oder nicht, in jedes gesunden Mannes Kopf eine regelmäßige Ideenfolge irgend einer Art statt, welche Ideen einander gerade so folgen wie ein Zug – wie ein Zug Artillerie? fragte mein Onkel Toby. – Ein Zug Unsinn! – sagte mein Vater, – welche einander in unserem Geist auf gewisse Entfernungen folgen, gerade wie die Bilder im Innern einer Laterne, welche durch die Wärme eines Lichts herum gedreht werden. – Da muß ich sagen, rief mein Onkel Toby aus, in meiner Laterne sind es lauter Rauchbilder. – Dann Bruder Toby, sagte mein Vater, habe ich dir nichts mehr über die Sache zu sagen.

63. Kapitel.
    Welch' eine herrliche Conjunctur ging auf diese Art verloren! – Mein Vater war in seiner besten Erklärerlaune – in eifrigster Verfolgung eines metaphysischen Ziels bis in die Regionen, wo es sich bald in Wolken und dichter Finsterniß verloren hätte; – mein Onkel Toby in einer der schönsten Stimmungen von der Welt; – sein Kopf wie eine Rauchlaterne – der Rauchfang ungeputzt, die Ideen schwirrten darin umher, vollständig dunkel und mit Rußstoff geschwärzt! – Beim Grabmal Lucians – wenn er eines hat; – wo nicht, bei seiner Asche! bei der Asche meines theuern Rabelais, meines noch theureren Cervantes! – meines Vaters und meines Onkel Toby's Gespräch über Zeit und Ewigkeit – war ein Gespräch, das jedes frommen Wunsches würdig war! und der ungestüme Humor meines Vaters, der ihm so plötzlich ein Ende machte, war ein wahrer Juwelenraub aus der ontologischen Schatzkammer, und es sieht nicht darnach aus, als ob ein Zusammentreffen großer Gelegenheiten und großer Männer dasselbe jemals wieder bringen könnte.

64. Kapitel.
    Obschon aber mein Vater darauf beharrte, diese Unterhaltung nicht weiter fortzusetzen – so konnte er doch meines Onkel Toby's Rauchlaterne nicht aus dem Kopfe kriegen – so sehr sie ihn anfangs verletzt hatte; – es lag in dem Vergleiche doch im Grunde etwas,

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