Lebens-Mittel
einziger Apfel gegeben hat, und Sie müssten diverse Scheiben Brot mehr essen als vor hundert Jahren, um sich die empfohlene Tagesmenge Zink einzuverleiben.
Diese Beispiele stammen aus einem Bericht mit dem Titel »Still No Free Lunch« (»Immer noch nichts umsonst im Leben«), der von Brian Halweil, einem Forscher am US-Umweltinstitut Worldwatch geschrieben und von Organic Center, einem von der Biolebensmittelbranche gegründeten Forschungsinstitut, 2007 veröffentlicht wurde. »Die ausschließliche Konzentration der amerikanischen Landwirtschaft auf die Steigerung der Erträge hat einen blinden Fleck entstehen lassen«, schreibt Halweil, »durch den die schrittweise Erosion des Nährwerts unserer Nahrung […] der Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern, Behörden und Verbrauchern weitgehend entgangen ist.« Ergebnis ist das alimentäre Äquivalent einer Inflation: Wir müssen heute mehr essen, um die gleiche Menge lebensnotwendiger Nährstoffe aufzunehmen. Dass mindestens 30 Prozent der Amerikaner eine Ernährung haben, in der die Vitamine C, E und A sowie Magnesium nicht in ausreichender Menge vertreten sind, hat sicher mehr mit dem Verzehr weiterverarbeiteter, mit leeren Kalorien vollgestopfter Nahrungsmittel zu tun als mit dem niedrigeren Nährstoffgehalt in den vollwertigen Lebensmitteln, die sie nicht essen. Aber egal ob der Nährwert der Rohstoffe, die bei der Herstellung weiterverarbeiteter Nahrungsmittel verwendet werden, zurückgegangen ist, oder wir tatsächlich vollwertige Lebensmittel essen – pro Kalorie bekommen wir wesentlich weniger Nährwert als früher. 24
Die Nährwertinflation scheint vor allem zwei Ursachen zu haben: Änderungen der Anbauart und Änderungen bei den angebauten Arten. Halweil zitiert umfangreiches Forschungsmaterial, das zeigt, dass mit industriellem Dünger angebaute Pflanzen nährstoffmäßig oft minderwertiger sind als die gleichen Sorten, die auf biologisch bewirtschafteten Böden angebaut wurden. Die Gründe dafür sind ungewiss, aber es gibt ein paar Hypothesen. Mit chemischen Düngern angebaute Nutzpflanzen wachsen schneller, sodass sie weniger Zeit und Gelegenheit haben, andere Nährstoffe als die Großen Drei anzusammeln (also die Nährstoffe, von denen industriell bearbeitete Böden wahrscheinlich sowieso nicht genug enthalten). Die leichtere Verfügbarkeit der wichtigen Nährstoffe bedeutet außerdem, dass industrielle Nutzpflanzen ein kleineres und flacheres Wurzelsystem ausbilden als biologisch angebaute; tief wurzelnde Pflanzen haben Zugang zu mehr Mineralien im Boden. Die biologische Bodenaktivität spielt mit großer Sicherheit ebenfalls eine Rolle; das langsame Verrotten organischer Materie setzt eine breite Palette von Pflanzennährstoffen frei, darunter wahrscheinlich auch Verbindungen, die von der Wissenschaft noch nicht als wichtig erkannt wurden. In einem biologisch aktiven Boden sind außerdem mehr Mykorrhizen vorhanden, das heißt jene Pilze im Boden, die mit dem Wurzelsystem einer Pflanze in Symbiose leben, die Pflanze mit Mineralstoffen versorgen und im Gegenzug eine Portion Zucker bekommen.
Biologisch angebaute Nutzpflanzen enthalten neben diesem höheren mineralischen Anteil erwiesenermaßen auch mehr sekundäre Pflanzenstoffe – das sind die diversen sekundären Verbindungen (zum Beispiel Carotinoide und Polyphenole), die Pflanzen produzieren, um sich vor Schädlingen und Krankheiten zu schützen; es hat sich herausgestellt, dass viele von ihnen bei Menschen antioxidativ, entzündungshemmend und auf andere Weise vorteilhaft wirken. Weil Pflanzen, die auf biologisch bewirtschafteten Böden wachsen, nicht mit synthetischen Pestiziden besprüht werden, sind sie gezwungen, sich selbst zu verteidigen; das hat zur Folge, dass sie dazu neigen, zwischen 10 und 50 Prozent mehr von diesen wertvollen sekundären Verbindungen aufzubauen als konventionell angebaute Pflanzen.
Irgendeine Kombination dieser Umweltfaktoren erklärt wahrscheinlich zumindest teilweise die zurückgehende Nährstoffqualität bei konventionellen Nutzpflanzen; vermutlich spielt aber auch die Genetik eine genauso wichtige Rolle. Einfach gesagt: Wir haben Nutzpflanzen auf den Ertrag hin gezüchtet, nicht auf ihre Nährstoffqualität hin, und wenn Sie auf ein Merkmal hin züchten, müssen Sie unweigerlich ein anderes vernachlässigen. Halweil zitiert mehrere Studien, die zeigen, dass ältere Nutzpflanzensorten, die gemeinsam mit modernen Kultursorten angebaut werden, im Allgemeinen weniger
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