Lebens-Mittel
ertragreich sind, aber einen wesentlich höheren Nährstoffgehalt haben. Forscher vom US-Landwirtschaftsministerium stellten vor kurzem fest, dass die auf die »Verbesserung« von Weizensorten ausgerichtete Züchtung in den vergangenen 130 Jahren (in denen sich der Getreideertrag pro Hektar verdreifacht hat) den Eisengehalt um 28 Prozent und den Zink- und Selengehalt um rund ein Drittel vermindert hat. Ähnlich enthält die Milch von modernen Holstein-Kühen (deren tägliche Milchleistung seit 1950 mehr als verdreifacht werden konnte) sehr viel weniger Butterfett und andere Nährstoffe als die von älteren, weniger »verbesserten« Rassen, etwa Jersey-, Guernsey- und Schweizer Braunrindern.
Die Leistungen der industrialisierten Landwirtschaft haben eindeutig einen Preis: Sie kann pro Hektar sehr viel mehr Kalorien erzeugen, aber möglicherweise liefert jede dieser Kalorien weniger Nährwert als früher. Und was auf dem Bauernhof passiert ist, ist im Nahrungssystem als Ganzes passiert, denn auch die Industrie verfolgt die Strategie, die Quantität auf Kosten der Qualität zu fördern. Schon ein kurzer Aufenthalt in einem amerikanischen Supermarkt macht Ihnen klar, dass es bei diesem Ernährungssystem darum geht, große Kalorienmengen so billig wie möglich zu verkaufen.
Seit Mitte der 1970er Jahre war das sogar die offizielle Politik der US-Regierung; nach einem drastischen Anstieg der Lebensmittelpreise waren protestierende Hausfrauen auf die Straße gegangen und hatten die Nixon-Regierung veranlasst, sich für eine ehrgeizige Politik billiger Lebensmittel stark zu machen. Die Agrarpolitik wurde umgeschrieben, und die Farmer wurden ermuntert, Feld um Feld Nutzpflanzen wie Mais, Soja und Weizen anzubauen. Es funktionierte: Seit 1980 haben amerikanische Farmer im Durchschnitt 600 Kalorien pro Person und Tag mehr erzeugt, die Lebensmittelpreise sind gefallen, die Portionsgrößen haben sich aufgebläht, und wie vorhersehbar, essen wir sehr viel mehr als 1985, nämlich mindestens 300 Kalorien mehr. Und was sind das für Kalorien? Annähernd ein Viertel dieser zusätzlichen Kalorien stammt aus zugesetzten Zuckern (überwiegend in Form von fructosereichem Maissirup); rund ein weiteres Viertel von zugesetztem Fett (überwiegend in Form von Sojaöl); 46 Prozent stammen von (überwiegend raffiniertem) Getreide; und die paar restlichen Kalorien (8 Prozent) von Obst und Gemüse. 25 Die überwältigende Mehrheit der Kalorien, die Amerikaner ihrer Ernährung seit 1985 hinzugefügt haben – 93 Prozent davon in Form von Zuckern, Fetten und überwiegend raffinierten Getreiden – liefern eine Menge Energie, aber nur sehr wenig von allem anderen.
Eine Ernährung, die mehr auf Quantität als auf Qualität beruht, hat eine neue Kreatur auf die Bühne der Welt geleitet: einen Menschen, der es fertigbringt, überfüttert und unterernährt gleichzeitig zu sein, zwei Charakteristika, die sich in der langen natürlichen Evolution unserer Spezies nur selten in einem einzigen Körper zusammengefunden haben. Wenn die Kalorienzufuhr ausreicht, reicht in den meisten traditionellen Ernährungsformen auch die Nährstoffaufnahme aus. Viele traditionelle Ernährungsformen sind nährstoffreich und – zumindest im Vergleich zu unserer Ernährung – kalorienarm. Die westliche Ernährung hat diese Beziehung auf den Kopf gestellt. Die Ärzte einer Gesundheitsklinik in Oakland/Kalifornien berichten, bei ihnen wären übergewichtige Kinder, die unter den Mangelkrankheiten früherer Zeiten leiden, zum Beispiel Rachitis – von der man lange annahm, sie sei in der entwickelten Welt in der Mottenkiste der Geschichte verschwunden. Aber wenn Kinder von Fastfood statt von frischem Obst und Gemüse leben und mehr Limo als Milch trinken, kommt die alte Mangelkrankheit zurück – jetzt sogar bei Fettleibigen.
Der berühmte Berkeley-Chemiker Bruce Ames arbeitet am Children’s Hospital and Research Center in Oakland mit solchen Kindern. Er ist überzeugt, dass unsere kalorienreiche, nährstoffarme Ernährung für viele chronische Krankheiten verantwortlich ist, auch für Krebs. Ames hat festgestellt, dass sogar subtile Mikronährstoffmängel – weit unterhalb der für die Entstehung akuter Mangelkrankheiten notwendigen Höhe – DNS-Schäden verursachen können, die zu Krebs führen. Er untersuchte menschliche Zellkulturen und fand heraus, dass »ein Mangel an den Vitaminen C, E, B 12 , B 6 , Niacin und Folsäure, an Eisen oder Zink Strahlung nachzuahmen
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