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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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Nacht ist gar nicht schwarz und finster, mein kleiner Liebling, sieh doch, dort oben am Himmelszelt leuchtet der Mond und passt auf dich auf.“ Und dann sang sie für ihn, so schön und warm und weich, wie wirklich nur seine Mutti es konnte:
    „Turaluraluralu“ – Himmelarsch! Jetzt muss er aber wirklich weinen! – „Turaluraluralu, nur der Mann im Mond schaut zu.“ Und er schloss die Augen und schlief friedlich und ohne Angst ein.
    Er schloss die Augen und schlief friedlich und ohne Angst ein. Herrgott! Wie sehr wünscht er sich, dass er das jetzt könnte! Augen zu und durch. Aber er scheißt sich so an vor dem Sterben, der Schlevsky mit seiner Ummantelung aus Stahl um seine Seele, die ihm nun wegschmilzt wie die Eiszapfen an seinem Flachdach, wenn dann im Sommer in dieser Scheißgegend doch einmal für ein paar Tage die Sonne durchkam. Und solcherart gänzlich ungeschützt gegen all die Gefühle der Angst und Einsamkeit wünscht er sich nichts mehr, als dass seine Mutti jetzt bei ihm sein und ihm die Hand halten und sie noch einmal, ein letztes Mal „Turaluralu“ für ihn singen könnte.
    „Mutti! Mutti!“, schluchzt er leise vor sich hin.
    „Warum hab ich dich verlassen?“

Abschied
    Eine Spur mehr Leben noch ist im Biermösel, obwohl auch der schon fast erfriert, wie er in dieser mehr als kühlen Nacht, die ihm aber durch die Begegnung mit der Anni und ihren Zwillingen auch das Herz gewärmt hat, mit seiner Fips um den See herumtuscht, in der Ersten, weil die Bodenbeschaffenheit und die nächtlichen Sichtverhältnisse praktisch eine Einladung zum Blutbad sind. Kaum ist der Sommer vorbei, ärgert sich der Biermösel, grüßt auch schon wieder der böse Geselle Winter vom Berghang herunter und vereist mit seinem kalten Atem alle Verkehrswege in dieser Gegend, was denn sonst!
    Aber das ficht ihn heute nicht an. Er schaltet in die Zweite und ist zufrieden mit sich und der Welt, weil jetzt endlich alles vorbei ist. In der Sache mit den verschwundenen Kampfhunden ist überraschend und ohne sein Zutun Ruhe eingekehrt. Und die leidige Sache mit den Handtaschen hat er sogar richtig aufgeklärt. Auch wenn ihn die speziellen Umstände der Aufklärung leider leider auch in diesem Fall daran hindern werden, als Star den Weg in die Hauptnachrichten zu finden, so ist er jetzt doch sehr froh, dass er den ganzen Ballast endlich abwerfen und die „Causa Handtaschen“ zusammen mit der „Causa Kampfbellos“ endgültig ad acta legen kann, bravo.
    Weil er aber nach dem heute Nacht Erlebten in einer gewissen innerlichen Vorweihnachtsstimmung ist, jetzt im September, will er wenigstens das Glück von der Anni perfekt machen und gleich anschließend, noch bevor er heimfährt zur Roswitha in den Auerhahn, hinauf zum Schlevsky fahren und den Unruheherd in einem ernsten Gespräch ersuchen, den Mallinger mit seiner bekannten Charakterschwäche nicht wieder zu allem möglichen Blödsinn zu verführen, insbesondere nicht zum Alkoholmissbrauch und zum Bleifußtreten, damit er sich nicht ruiniert und Stattdessen der Anni mit seiner schönen Pension den Lebensabend versüßen kann.
    Er selbst wird sich von einer erträumten Zukunft mit der Anni wohl oder übel endgültig verabschieden müssen und ihr eine letzte Träne nachweinen. Aber es nützt halt alles nichts: Der Mallinger hat letztlich einfach die viel schönere Pension (auch wenn er nicht Moped fahren kann!)
    Innerliche Vorweihnachtsstimmung freilich übermannt den Biermösel auch deshalb, weil über Nacht natürlich schon wieder der erste Schnee gefallen ist und er sich vom kurzen Sommer verabschieden kann. Bald wird wieder das Christkind kommen und ihm wieder nichts bringen, denkt sich der Biermösel, wie er in die Dritte schaltet und mit einigem Lustgewinn noch immer um den See herum fährt. Bald wird er mit der Roswitha wieder in der Wirtsstube im Auerhahn sitzen und mit ihr alleine und ohne Kinder und Enkelkinder „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen und „Süßer die Glocken nie klingen“. Wer weiß denn schon, fragt er sich auf einmal, vielleicht werden das ja meine letzten Weihnachten als Gendarmerie sein? Und wer weiß, hört er nicht auf zu fragen, vielleicht werden es auch seine letzten Weihnachten im Auerhahn sein, bevor er sich aus seinen vier Wänden oben in der Kammer verabschieden muss und drüben in Goisern im Siechenheim die Kerzen am Gemeinschaftschristbaum anzünden darf und von der Heimleitung vielleicht eine Mon Chéri als Geschenk bekommt, eine

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