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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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missglückten virtuellen Generalprobe am Simulator von seinem Plan in realo abhalten lassen?
    Sicher nicht! Alleine der Gedanke, morgen als gefeierter Star in den Deutschunterricht für Ausländer zu kommen, als derjenige, der die Kurve nach Goisern endlich trotz allem was dagegen sprach als Erster und Einziger im Geschwindigkeitsvollrausch genommen haben wird, zerstreut jeden Zweifel an seiner Mission. Und die Vorstellung, dass die kleine Blondine mit dem unruhigen Magen aus der ersten Reihe sehr bald wissen wird, dass er kein stotternder, auf Sicherheit bedachter Deutschlehrer mit einer sehr schönen Frühpension ist, sondern eine rasende, keine Gefahr scheuende Rennsau (und der Schlevsky mit seiner vergleichsweise dezenten und defensiven Fahrweise ein alter Schlauch gegen ihn!), diese Vorstellung ist einfach zu süß und letztlich jedes Risiko wert.
    Da greift der Mallinger in seinen Einbauschrank und nimmt den vor drei Jahren ersteigerten und seither unter einer Plastikplane mottensicher verstauten roten Original-Weltmeister-Overall vom Niki mit dem gelben Agip-Emblem auf der Brust, das ihm immer so gut gefallen hat, heraus. Als er sich das Teil vor den durch die zahlreichen Kniebeugen und Beckenkreisel vermeintlich immer noch recht ansehnlichen Lehrerkörper hält und schließlich hineinschlüpft, trübt allerdings das in den letzten Monaten der Sinnleere und Langeweile gewachsene und doch sehr vorlaute Frühpensionswohlstandsbäuchlein den ansonsten tadellosen Gesamteindruck.
    Du lieber Himmel, der Zippverschluss klemmt! Und im Schritt und am Arsch zwickt es ihn nun doch ganz gehörig!
    Wie die gepellte Wurst fühlt sich der Mallinger, als er sich bückt, um in seine Nike-Rennschuhe zu schlüpfen — Poing! Da reißt auch schon die erste Naht am Arsch. Dann steckt er seine Rennhandschuhe in den Vollvisierhelm mit der rot-weißroten Bemalung und dreht im ganzen Haus die Lichter ab. Entschlossen tritt er hinaus in die eiskalte Nacht.
    „Wawarumm!“, feuert sich der Mallinger an, als er die ersten Regentropfen spürt. „Meine Zeit wird sehr bald kommen!“
    Und als er die Türe zusperrt, hält er es auch gar nicht mehr für übertrieben, dass er erst vor ein paar Tagen sein Namensschild ausgetauscht hat, aus Angst vor allzu forschen Fans und Autogrammjägern, die sehr bald sein Einfamilienhaus belagern werden.

Blutbad, unvermeidliches
    Als hätte er nicht immer gewusst, dass ihm die lange Unterhose noch gewaltige Probleme bereiten würde! Kaum, dass er drüben im Himmelreich angekommen ist, zeigt die Runde der versammelten Nachtclubkönige an ihrem Pokertisch unter Vorsitz von Tony „Die Zunge“ Stompanato aus Köln auch schon mit dem nackten Finger auf ihn, weil ihm das heiße Teil halb beim Arsch hinunterhängt.
    Um die eigenartige Spannung ein wenig zu lösen, fragt der Schlevsky:
    „Tony, du hier? Was hat denn dich gefällt?“
    „Die Sommergrippe“, sagt der Tony nur, und schon lachen sie wieder alle.
    Die lange Unterhose ist nämlich bei weitem das Schlimmste, was die harten Jungs hier seit langem zu sehen bekommen. Exakt, seit der Idi Amin Dada aus Uganda zum Pol Pot aus Kambodscha in den Hängekäfig über den glühenden Kohlen gezogen ist, wo die beiden seither gut gelaunt „Mensch ärgere dich nicht“ spielen und fortwährend und akzentfrei „Hoch auf dem Gelben Wagen“ singen – es ist einfach die Hölle!
    In einem solchen Klima kann und will sich der Schlevsky die lange Unterhose unmöglich leisten. Also muss er unbedingt noch einmal zurück ins Leben, um sie für immer im Herrenhandtäschen zu bunkern, noch einmal zurück ins Leben! Hin und her, und her und hin, Rushhour im Schattenreich. Schon trifft er jemanden, den er zu kennen glaubt:
    „Jocy? Bist du das?“
    Uff! Geschafft!
    Seine Seele ist wieder in seinem Körper gelandet. Als blutiger Klumpen Fleisch liegt er auf dem ehedem schönen Tigerfellbezugbett und betrachtet röchelnd die Sauerei um sich herum. Jetzt aber schnell aus der langen Unterhose raus und in den Brioni geschlüpft, bevor er sich endgültig aus diesem Leben verabschiedet. Doch ist das in seinem Zustand leichter gesagt als getan.
    Und schon wird ihm wieder schwarz vor Augen!
    Dass ausgerechnet er es sein würde, der das Blutbad nimmt, damit hätte er noch vor einer Stunde nicht gerechnet. Und dass es ausgerechnet dieser nachgemachte Affe Mallinger sein würde, der ihm das Blutbad einlässt, das nimmt er nun beinahe persönlich.
    Eher hätte er damit gerechnet,

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