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Lebensabende & Blutbaeder

Lebensabende & Blutbaeder

Titel: Lebensabende & Blutbaeder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Rebhandl
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dass dieser verrückte Bulle mit seinem Schießgewehr heraufkommt und ein paar ausstehende Strafmandate per Genickschuss eintreibt. Oder auch, dass der Kofi Annan samt einer Abordnung von Amnesty International auf einem Radpanzer zu ihm herunter ins Exil geritten kommt und ihm aus dem großen Buch der Genfer Flüchtlingskonvention vorträgt, nur weil er neulich auf dem Tingeltangel in Strudelwasser an der Oder einen Scheinasylanten ein wenig gröber angefasst hat.
    Aber nein! Stattdessen steht plötzlich der Mallinger in einem roten Ferrari-Rennoverall mit lässig unter den Arm geklemmtem Vollvisierhelm bei ihm im Schlafzimmer und fordert die Schlüssel für seinen F50, weil er, wie er wörtlich sagte, endlich die Kompression an der Abzweigung nach Goisern mit Vollgas durchfahren und die Schmach tilgen muss. „Sonst glauben immer alle, ich kann nicht Auto fahren!“
    Hat er schon jemals so eine gequirlte Scheiße gehört?
    Für einen kurzen Moment lang vermeinte er in ihm einen berühmten Schifahrer zu erkennen: die unglaublichen Hasenzähne und das verbrannte Ohr samt schütterem Haar auf der Schädeldecke. Dazu die kleine Wohlstandswampe und keinen Meter sechzig groß.
    Erinnerte er ihn an den Klammer? Oder war es der Maier? Außer ein paar Schifahrer gibt es ja in diesem Österreich niemanden, der berühmt wäre. Aber letztlich wollte es ihm doch nicht mehr einfallen, an wen er ihn erinnerte. Vielleicht lag es auch daran, dass der Mallinger sogar ein wenig sexy aussah in seiner Verkleidung, dass er ungewohnt ambitioniert und zielgerichtet wirkte, voller Optimismus und Entschlossenheit, bevor er ihn mit einem letzten „Wawarumm!“ und einem fürchterlichen Schlag mit dem Helm in die Bewusstlosigkeit schickte.
    Herrgott!, flucht der Schlevsky nun vor sich hin, hilf- und kraftlos in seinem Zustand des Hinüberdämmerns, während er sich auch der Unterhose nicht und nicht entledigen kann. Herrgott, warum muss denn ausgerechnet ich die Hauptrolle in dieser Scheiß-Seifenoper spielen? Hätte mir dieser Idiot nicht einfach die Elefantenbüchse an die markante Stirn setzen und das Hirn wegblasen können? Dieser verdammte Deutschlehrer in seiner Extremrage, extrem unstoisch, wie ein randalierender Chinese? Stattdessen drosch er wie ein Berserker mit seinem Vollvisierhelm auf ihn ein und klopfte ihn weich wie ein Wiener Schnitzel, als er ihm die Schlüssel nicht sofort und freiwillig aushändigen wollte.
    Warum ich?, schreit der Schlevsky immer wieder und hadert mit seinem Schicksal. Doch nur noch ein paar Hirschkühe draußen im finsteren Wald hören sein Klagen. Und mit der gewissen Einsicht, die der nahende Tod stets als Werbegeschenk mit sich führt, wenn er einen für sich gewinnen will, in der Gnade dieser Einsicht sagt er sich nun sogar:
    Ich hab es nicht anders verdient. Also nehm’ ich meinen Hut und sag Adieu.
    „Jocy?“
    Immer kälter wird es dem Schlevsky von den Zehen herauf, weil ihm der Mallinger mit einem furchtbaren Helmtreffer wohl auch die Schlagader am Schenkel zerfetzt hat.
    Aber ist es nur der innere Verlust des warmem Blutes, der ihn gar so zittern lässt, oder zieht es da auch ganz gehörig vom Keller herauf?
    „Ivana?“, schreit er. „Ivana!“
    Mehr fällt ihm augenblicklich nicht mehr ein auf Russisch. Und sie hat es umgekehrt auch nicht viel weiter gebracht mit ihren Deutschkenntnissen.
    Warum, hadert der Schlevsky mit sich, hat er diesen verdammten Saint Hermain überhaupt angerufen und ihn mit einbezogen in die Planung seines kurzfristig angebrochenen Lebensabends? Hätte er ihn doch einfach am Bahnhof oben in Nang-Pu erschossen, als es ohnehin zu eng geworden war in seinem F50!
    „Ivan...mmpf. .a!“
    Hölle auch, was ist denn nun schon wieder? Fallen ihm jetzt die Reservezähne auch noch heraus?
    Aber natürlich! Total zerbrochen, kotzt er die zweite Garnitur Beißerchen in sein Bett, und als er sich an die Schädeldecke fasst, um sich wenigstens das Haar zu richten, bevor er hinüber geht, spürt er einen tiefen Riss in seiner Kopfhaut. Da erinnert er sich, dass ihm der Mallinger ja auch noch den ausgestopften Wildsauschädel aufgesetzt hat, quasi als Dankeschön dafür, dass er ihm letztlich und schweren Herzens doch den Schlüssel für seinen F50 ausgehändigt hatte.
    „Ivana!“
    Aber auch die hört ihn nicht mehr. Auch die ist mit Sicherheit lange weg, entschlüpft durch das Kellerfenster, durch das jetzt die kalte Luft heraufzieht. Und er selbst wird auch nicht mehr lange

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