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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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drüber reden zu hören. Willst du übrigens meinem Rat folgen, so frühstücke; es ist das Zweckmäßigste wider den Hunger, auch beurteilt man alles viel richtiger, wenn man satt ist. Was mich betrifft, so hasse ich besonders das nüchterne Urteil, welches dir leider sehr anklebt, mein Raphael!«
    Er schien empfindlich, und ich schwieg. – Viele elegant gekleidete junge Leute, wie sie kamen und gingen, schienen ihm bekannt. Er grüßte rechts und links in einem fort, und jedesmal bewunderte ich seinen leichten Anstand und seine vornehme Haltung.
    Als unser Mahl geendet war und wir Kaffee zu uns nahmen, stieß er mich leise an, deutete mit den Augen auf einen eintretenden Dandy, der eine wunderschöne Krawatte trug und sagte: »Dies ist dein Mann, jetzt wird der Goldbrunnen fließen.« Der Eintretende suchte sich einen Platz, Rastignac winkte ihm, näher zu kommen.
    »Dies Subjekt«, flüsterte er mir zu, »gilt für den Verfasser mehrerer Werke, die er selber am wenigsten versteht. Er ist Chemist, Historiker, Novellist, Publizist: hat, ich weiß nicht wieviel halbe, drittel und viertel Anteile an einer Menge von Bühnenstücken. Er ist kein Mensch, sondern eine Pseudonymitat, eine Etikette für das große Publikum, ist dumm genug zu einem Maulesel des Dom Miguel und klug genug, um bei einem Kongreß für den Verfasser seiner Werke zu gelten, denn er schweigt zur rechten Zeit und macht nur Ansprüche geltend gegen Nichtkenner. Es ist ein so halbrechtlicher Halbschurke, der, weil er Geld hat, von den Menschen ein achtbarer Mann genannt wird.«
    Der Fremde mit der schönen Halsbinde kam näher und nahm an einem Tisch dicht neben dem unsrigen Platz.
    »Nun, teuerster, edler Freund! Achtbarer Mann! Wie befindet sich Dero Berühmtheit?« fragte Rastignac.
    »Pah, nicht gut, nicht schlecht, überhäuft mit Arbeiten. Ich habe gegenwärtig alle Materialien, und zwar ganz merkwürdige, zu geschichtlichen Memoiren. Aber wem soll ich sie zuschreiben? Damit martere ich mich Tag und Nacht, denn in Wahrheit, die Memoiren fangen an, aus der Mode zu kommen.«
    »Sind Sie aus der neusten oder einer früheren Zeit? Betreffen Sie den Hof?«
    »Den Halsbandprozeß.«
    »Nun, das nenne ich ein wunderbares Zusammentreffen!« rief Rastignac, mich bei dem Ärmel zupfend. »Mein Herr! Erlauben Sie mir, Ihnen hier den Marquis von Valenti vorzustellen, dessen erstes Auftreten in dem Salon der Fürstin Feodora von einem an Wunder grenzenden Erfolge war. Seine Tante, Frau von Montouron, galt ehemals viel bei Hofe, und auch er beschäftigt sich seit zwei Jahren mit einer Geschichte dieses Prozesses!« – Leiser fügte er hinzu: »Er hat Genie, aber keine Erfahrung. Er schreibt Ihnen die Memoiren seiner Tante für 100 Taler den Band.«
    »Der Handel gilt!« entgegnete der Fremde, die Halsbinde sich zupfend.
    »Aber ich erbitte mir 25 Louisdor Kommissionsgebühren, und der Herr Marquis empfängt das Honorar des ersten Bandes auf Abschlag.«
    »Ich gebe nur 50 Taler, damit ich mein (!) Manuskript um so früher erhalte.« Diese Verhandlung wiederholte mir Rastignac von Wort zu Wort, und ohne meine Zustimmung abzuwarten, rief er: »Wir sind einig! Wann sollen wir zu Ihnen kommen und abschließen?«
    »Ei! meine Herren, ich erwarte Sie morgen abend um sieben Uhr hier zu Tische.«
    Wir erhoben uns, Rastignac warf dem Garçon die carte à payer hin, und wir gingen.
    Als wir wieder im Tilbury saßen, fing er aus vollem Halse zu lachen an. »Siehst du's nun, wo meine Güter liegen, und woher ich meine Einkünfte beziehe? Da hast du nun 2 – 400 Taler, nebst 25 Louisdor Kommissionsgebühren, denn an armen Freunden will ich mich nicht mästen.«
    »Aber wie werde ich die Memoiren zustande bringen?«
    »Ei, schreib von deiner Tante, was du weißt und nicht weißt, setz' aus alten Anekdoten, Historien, Sagen, Erzählungen und Begebenheiten etwas Artiges zusammen, was für deine Tante paßt.«
    »Bevor ich aber den Namen meiner Tante beschimpfe –«
    »Närrchen! was Tante? Du hast Memoiren zu schreiben, sind sie fertig, so machst du Schwierigkeiten, sie unter dem Namen deiner Tante herauszugeben. Wetter, ich denke, die Frau von Montouron, mit ihrem Wappen, ihrer Tugend, ihrer Schminke, ihrem Ansehen und ihrem Fußzeug ist mehr als ein paar 100 Taler wert. Entweder der Buchhändler bezahlt dir deine Tante auf Heller und Pfennig – wo nicht, so muß irgendein alter St. Ludwigsritter oder irgendeine alte verwitterte Gräfin ausgefunden werden, um deine

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