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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Memoiren zu unterzeichnen!«
    »Aber wohin fahren wir?« fragte ich, als unser Tilbury fast die Barrièren von Paris erreicht.
    »Nach dem Bois de Bologne,« antwortete Rastignac. »Du sollst einmal meine kleine, runde Schwäbin kennen lernen, eine reizende junge Witwe, eine Gräfin, deren Händchen und Füßchen das niedlichste ist, was man irgend sehen kann. Sie ist sehr blond, folglich hat sie einen zarten Teint und veilchenblaue Augen. Sie disponiert über ein Vermögen von 25000 Franken jährlicher Einkünfte, und um kurz zu sein: sie ist meiner wert, ich werde sie heiraten oder vielmehr: sie mich. Du glaubst nicht, Freund, wie zärtlich und innig wir uns lieben. Meine Dorothea liest den Kant, Schiller und Jean Paul und versteht sich trefflich auf Hydraulik.«
    »Auf Hydraulik?« fragte ich lachend.
    »Ja, und auch ich habe bereits große Fortschritte in dieser Wissenschaft gemacht. Sie fragt mich stets nach meiner Meinung, und da muß ich denn freilich die Miene annehmen, als hätte ich die ganze deutsche Empfindsamkeit inne. Dies wird mir leichter als du denkst. Ich merke mir gewöhnlich eine oder die andere ihrer Lieblingssituationen, die ich bei vorkommenden Gelegenheiten stattlich anzuwenden verstehe. Vergangenen Sommer lagen wir eines Nachmittags im Fenster, als gerade ein Gewitter aufzog. Dorothea schwatzte allerlei über die schweren, finstern Wolken. Ich aber unterbrach ihren rührenden Sermon, indem ich auf ihre zierliche kleine Hand die meine legte und sagte: ›Glopschtogge!‹ [Fußnote: Klopstock, eine Situation aus »Werthers Leiden«. ] Da schloß sie mich zärtlich in ihre Arme, nannte mich ihren innigstgeliebten Mann und gab mir mehrere sehr wohlschmeckende Küsse. Halt! dachte ich, werd' ich für die Anstrengung, einen solchen barbarischen Dichternamen auszusprechen, schon so reichlich entschädigt, so darf es hiermit sein Bewenden noch nicht haben. ›In diesem Augenblick, o Geliebte‹ so fuhr ich fort, ›laß mich eine lang gehegte Bitte wagen, hast du das Herz, sie mir zu verweigern?‹
    ›Gewiß nicht! wenn dieser Moment dich veranlaßt, sie auszusprechen.‹
    ›Versprich mir, mit keinem Manne zu walzen, außer mit mir!‹ entgegnete ich dreist. ›Herr Goethe hat recht zu sagen, der Walzer sei ein gefährlicher Tanz‹ – Sie sprach kein Wort, drückte stumm meine Hand und erhob das feuchte Auge zum Himmel, und nie ist ein Versprechen ernster gehalten worden, als dies stumme. Ja, ja! sie ist ein vollkommenes Geschöpf, und nur weil auf dieser Erde nichts absolut Vollkommenes existieren soll und alles überirdische demnach gleichsam seinen irdischen Beigeschmack behält, muß meine himmlische Dorothea ihre blütensüßen, mondscheinduftigen Empfindungen in einem Dialekt verkünden, wo ›mon ange‹ wie ›mon anche‹ , ›vouloir‹ wie ›foulo-ar‹ klingt.«
    »Wie aber hast du ihre Bekanntschaft gemacht?«
    »Schon im vorigen Jahre! Damals lebte noch ihr Mann, der selige Herr Graf, der vor einigen Monaten die Gefälligkeit hatte, an der Brustwassersucht (er soll unmäßig getrunken haben) zu sterben und seine 25 000 Franken jährlicher Einkünfte ihr zu hinterlassen. Er hatte sie als ein armes Fräulein ihrer Schönheit halber geheiratet, lebte aber sehr unglücklich mit ihr. Ich gewann ihr Herz, weil ich mit großer Teilnahme und Geduld ihre Klagen über das rohe Gemüt und gefühllose Wesen ihres Gatten anhörte. Sie nannte mich oft einen der Besseren meines Geschlechts und erwies mir hinsichts ihrer Klagen ein unumschränktes Vertrauen. Mit einem Worte, unsere Herzen hatten sich schon damals gefunden, und sie verlebt nur noch ein züchtiges Trauerjahr – denn schwarz läßt allen Blondinen ungemein gut – um sich dann nebst ihren 25 000 Franken ewig mir zu verbinden. Auch von dir, Freund, und deinem Erfolge bei dem Vortrag deutscher Dichterwerke hat sie gehört und mich gebeten, dich einmal zu ihr zu führen. Sag' Raphael! setze ich nicht großes Vertrauen in dich? Ist es so ganz gefahrlos, einen Mann deiner Art persönlich in seine Attachements einzuführen? Aber wie gesagt, ich habe Vertrauen zu dir, das Vertrauen, daß du mir nicht schaden kannst bei ihr. Sie wünschte deine Bekanntschaft, und jeder ihrer Wünsche ist mir ein Befehl. Vor allen Dingen aber liegt mir daran, diesen ihren Wunsch zu erfüllen, der an sich mir bei weitem gefährlicher schien als seine Erfüllung. Ihr werdet einander sehen, einander mißfallen, du bist romantisch, sie klassisch gestimmt;

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