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Lebensbilder I (German Edition)

Lebensbilder I (German Edition)

Titel: Lebensbilder I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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nicht einmal ein Anknüpfungspunkt zum Gespräch findet sich zwischen Euch, Ihr könnt Euch nur miteinander langweilen.«
    »Und soll ich's dir etwa Dank wissen, daß du zu solchen Bekanntschaften mir verhilfst?«
    »Freund, es muß sein, meinethalben! Mir zuliebe mach' dich heut nur unausstehlich – nun, nicht mehr und nicht weniger, als du von Natur es bist.«
    Wir kamen an vor einem unscheinbaren ländlichen Gebäude mit einem Strohdache. In der schwarzgekleideten Blondine, die uns empfing, erkannte ich, nach Rastignacs Beschreibung, die schwäbische Gräfin. Sie nötigte uns über den mit hartem Lehm gepflasterten Flur in ein ländliches Zimmer, dessen Dielen mit feinem weißen Sand bestreut und dessen Möbel nur von gewöhnlichem Holze waren; an der Decke sah man die Querbalken. Außer einer gewissen holländischen Reinlichkeit fand sich nichts, was dem Zimmer irgend hätte zum Schmucke dienen können. Rastignac stellte sie mir als seine Braut vor, und sie fing an, mit Vorwürfen ihn zu überhäufen, daß er, ihrer Sehnsucht spottend, so lange auf sich warten ließe. Er entschuldigte sich mit seinen gewöhnlichen Gascognaden, erzählte von hohen Personen und Gesandten und seinen Unterredungen mit ihnen und schloß jedesmal mit dem Seufzer: wie die Sehnsucht nach der Geliebten ihm alle Lust an Geschäften raube.
    Mir aber standen lebhafter als je Feodorens herrliche Zimmer und Säle vor Augen. Die Pracht ist nicht so ganz Äußerlichkeit des Lebens, gewissen Charakteren ist sie notwendig eigen. Feodora war geschaffen, die Luft, in der sie weilte, rings mit Reichtum zu vergolden. Prachtliebe ist edel und keusch. Die mystische Heiligkeit ihres Schlafgemachs, war sie etwa bedeutungslos? Nichts Menschliches durfte sich ihr nahen, hatte sich ihr je genaht! Hier war's umgekehrt. – Die gute, trauernde Blondine, die sich ohne Rückhalt schon einem Rastignac hingab, konnte nur in alltäglicher und der allergeringsten Umgebung Figur machen. Dennoch aber darf Gewöhnlichkeit, die nicht ahnt, was zu Ansprüchen reizt, Ansprüche nicht verdammen wollen. Dem Nichts ziemt Anspruchslosigkeit, aber es darf in dieser Anspruchslosigkeit nicht Ansprüche begründen; dies ist ein Vorrecht der Größe. Ein Friedrich, ein Bonaparte durften Äußerlichkeit verachten und hintansetzen. Es will mir deshalb auch nicht gefallen, einen König und dessen Minister in bürgerlicher Tracht zu sehen. Bürgerliche Eleganz ist nur ein Inkognito, worin Größe sich versteckt. Alltäglichkeit aber mit geheimnisvoller Wichtigkeit prunken kann. Ich bin überzeugt, daß der erste Bürgerkönig, der ein wahrhafter König ist, die alte Kronenpracht des Königtums wieder herstellen wird; vielleicht nur, um persönlich, wie ein Bonaparte oder Friedrich, den ringsum verbreiteten Glanz zu verachten.
    Aus diesen Träumereien erweckte mich die Gräfin mit der Frage: was ich zu Goethes »Hermann und Dorothea« und der »Luise« von Voß meinte. – Ich mußte zu meiner Beschämung bekennen, daß ich das erstere Gedicht zwar in früher Jugend gelesen, mich aber wenig davon angesprochen gefühlt, das andere aber zum erstenmal nennen hörte.
    »Meine Lieblingsgedichte!« rief sie mit glänzenden Augen, und das Gespräch schien hiermit abgebrochen. Wollte sie sich mit einem Menschen, der diese Gedichte nicht kannte, weiter nicht einlassen? Oder wußte sie nur über diese Gedichte zu reden? oder war sie ganz Auge und Ohr für Rastignac?
    Dieser begann endlich: »Im Vortrag zeigt sich, wer den Dichter versteht. Auch meine Braut trägt Gedichte vor und nicht nur deklamatorisch, sie singt auch! – Es wird dich nicht gereuen, ihr eines meiner und ihrer Lieblingslieder auf dem Pianoforte zu begleiten.«
    Ich war bereit dazu, die Gräfin machte Umstände. »Teuerste Dorothea,« rief Rastignac, »ich beschwöre dich! Der Herr Marquis ist von all meinen Bekannten der würdigste, dich zu hören! Auch ihm ist das Konzertgegurgel und -getriller verhaßt, auch er liebt die Einfachheit, die Naivität der Kunst, mit der dein Gesang so eigentümlich bezaubert.«
    »In der Tat,« bemerkte Dorothea, »nichts ist mir mehr zuwider als unsre jetzigen Opern und Konzerte. Auch die Mozartschen und Gluckschen Meisterwerke höre ich deshalb nicht mehr, weil die erhabensten Momente durch die unbescheidenen Kadenzen und Koloraturen unsrer Sänger verdorben werden. Aber der Herr Marquis sind vielleicht andrer Meinung. Indes, ich darf mich nicht sträuben, es ließe sonst wie

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